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Da de , Vale ti . „Self-T a ki g als Gege sta d
edie pädagogis he
medien+erziehung - zeitschrift für medienpädagogik, Nr. 2017/05.
Juge da eit?“
merz
-
Self-Tracking als Gegenstand medienpädagogischer Jugendarbeit?
Valentin Dander
Das Feld von Self-Tracking wird theoretisch abgesteckt und gesellschaftlich kontextualisiert.
Entlang aktueller Untersuchungen wird die empirische Nutzung von Self-Tracking-Devices
und -Apps durch Jugendliche skizziert, um schließlich mögliche Hindernisse und methodische
Ansätze in der medienpädagogischen Jugendarbeit zu benennen. Obwohl Self-Tracking
gegenwärtig keine herausragende Bedeutung für jugendliche Mediennutzung zukommt,
bündeln sich darin für Jugendliche relevante Fragestellungen.
„data eilla e a d ou te aila e oe ist ot i a diale ti al st uggle ut athe a e so
fundamentally entangled that the line separating the one from the other is unstable.
Positioned as we are within the dataveillance regime, we cannot but employ the tactics of
i
a e t iti ue, hi h [...] depe ds si pl o o di a a tio itself.“ (Raley 2013, S. 139)
Kontext und Überblick
Dieser Beitrag nimmt es sich zur Aufgabe, den weiten Bogen von der begrifflichen
Bestimmung von Self-Tracking über seine gesellschaftliche Kontextualisierung bis hin zu
praktischen Überlegungen der medienpädagogischen Jugendarbeit zu schlagen. Grundlage
dafür liefert ein Working Paper über Algorithmen und Self-Tracking (vgl. Dander 2017), das
im Zuge eines Projekts des jfc medienzentrum e. V. in Köln entstand. Dieses Papier
aggregierte in einem Zwischenschritt Rechercheergebnisse und den Forschungsstand für
eine Methodenentwicklung zum Themenfeld Big Data Analytics, die 2016/17 durchgeführt
und durch die Bundeszentrale für politische Bildung gefördert wurde.1 Dabei wurde versucht,
aktuelle Forschungsergebnisse mit der Konzeptentwicklung zu verzahnen. Dieser Idee folgt
auch der vorliegende Text, weshalb das Feld von Self-Tracking mit einer Begriffsbestimmung
eröffnet und gesellschaftlich kontextualisiert wird. Im Anschluss wird entlang aktueller
Untersuchungen die empirische Nutzung von Self-Tracking-Devices und -Apps durch
Jugendliche skizziert, um dann auf Hindernisse und Potenziale in der medienpädagogischen
Jugendarbeit zu sprechen zu kommen.
Self-Tracking als gesellschaftliche Praxis
Die omnipräsente Rede von „Digitalisieru g (vgl. z. B. Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) 2016) u d „Datafizieru g (vgl. Mayer-
Schönberger/Cukier 2013) oder „Verdatu g (vgl. Schneider/Otto 2007) der Gesellschaft
dokumentiert bereits seit einigen Jahren die Relevanz, die digitalen Daten zugeschrieben
wird. Die Digitalisierung, Datafizierung oder Verdatung der Einzelnen durch sich selbst – SelfTracking – stellt dabei einen sehr spezifischen Modus der Datengenerierung (und auswertung) dar. Die Bedeutsamkeit auch dieser Datenanalysen leitet sich jedoch nicht nur
aus individuellen Datensätzen ab, sondern ist mit gesamtgesellschaftlichen Prozessen im
Kleinen wie im Großen fundamental verflochten.
Einerseits sind es (sozio-)technische Entwicklungen, die Self-Tracking im großen Stil allererst
ermöglichten. Digitale Geräte (siehe Fitness-Devices und andere Wearables) können immer
leichter vernetzt werden, sind mit immer mehr Sensoren ausgestattet, die immer mehr und
vielfältigere Daten über verschiedene Verhaltensweisen aufzeichnen können. Diese können
durch immer effizientere und komplexere algorithmische Rechenoperationen nach immer
schwerer nachvollziehbareren Mustern ausgewertet werden. Eine Folge dieser
Entwicklungen besteht in einer neuen Qualität von Datenanalysen und ihren Ergebnissen.
Zudem steigt die Nachfrage für die Erkenntnisse, die in solchen Analysen gewonnen werden
zusehends, weshalb sich sehr rasch ein entsprechender Markt entwickelt hat (vgl. Gapski
2015). Horst Niesyto (2017) formuliert dazu prägnant: „Die Ver essu g ahezu aller
Lebenswelten und des eigenen Körpers (Self-Tracking etc.) offerieren die Optimierung des
Alltags und des Selbst, haben allerdings einen harten kapitalistischen Kern: die Erschliessng
neuer Absatzmärkte, die Ökonomisierung immer weiterer Lebensbereiche, die Kontrolle und
Ü er a hu g des Körpers. (S. 19)
Diese Feststellung verweist, andererseits, explizit auf die politische Dimension von SelfTracking. Felix Stalder (2016) et a ezei h et sol he Praktike als „Diszipli arregi e, das
direkt auf den Körper zielt (S. 239). Hier ei geht es daru , el he ‚Art Me s h‘ ein solches
Regime wahrscheinlicher werden lässt und welche Konsequenzen das für demokratisch
verfasste Gesellschaften haben kann (wie etwa die Entsolidarisierung im
Versicherungswesen). Ähnliche, kapitalismus- oder machtkritische Perspektiven finden sich
zahlreich in der Literatur zum Gegenstand (vgl. z. B. Selke 2016).
Vor dem skizzierten Hintergrund kann nun präzisiert werden, was Self-Tra ki g ‚ist‘: Als
„“elf-Tra ki g
ezei h et der “oziologe “tefa
“elke
„Körper- und
Gesu dheits o itori g (S. 177), wie es etwa von der Quantified Self-Bewegung2
vorangetrieben wird. Es sei eine von vier Formen von Lifelogging, worunter er die
Aufzeichnung verschiedenster Lebensäußerungen von Menschen mit Hilfe von digitalen
Geräten versteht. Sogenannte Wearables spielen für Self-Tracking eine zentrale Rolle, wie
zum Beispiel Google Glass, SmartWatches oder Activity Tracker. Einige Self-TrackingFunktionen können von Smartphones mit entsprechenden Apps übernommen werden.
Self-Tracking richtet sich vorrangig auf die physische Gesundheit und Fitness der Nutzenden.
Aber auch psychische Zustände können vermessen und errechnet werden (vgl. Pritz 2016).
Dass und i iefer au h ‚A dere‘ I teresse a
ei e ‚“elf‘-Tracking haben können, zeigt
ein Bericht der Verbraucherzentrale zum Thema unter anderem am Beispiel Fitness-Apps für
Krankenkassen (vgl. Marktwächter/Verbraucherzentrale NRW e. V. 2017).
Self-Tracking Jugendlicher als empirisches Phänomen
Mit Blick auf Nutzungsweisen Jugendlicher liegen nur wenige empirische Erkenntnisse vor.
Eher verweisen die Zahlen direkt oder indirekt darauf, dass Minderjährige gegenwärtig nicht
zur vorrangigen Nutzungsgruppe von Self-Tracking-Anwendungen gehören. Die schwache
Datengrundlage könnte auch darin begründet sein, dass Wearables oder Self-Tracking-Apps
2
in klassischen Mediennutzungsstudien (noch) keine explizite Berücksichtigung finden. Die
letzten JIM-Studien weisen in der Geräteausstattung und Mediennutzung vergleichbare
Geräte nicht aus (vgl. mpfs 2015; 2016). Auch bei Smartphone-Apps werden keine FitnessApps genannt. Mit fast flächendeckender Smartphone-Ausstattung (2016: 95 % der
deutschen Zwölf- bis 19-Jährigen) hätten all jene die nötigen technischen Voraussetzungen.
In den Ergebnissen der Bitkom-Studie (2014) über das Internetnutzungsverhalten von Zehnbis 18-Jährige
o
ge e i “ h itt fü f Proze t der Befragte a , „eige e
Sportergebnisse oder Fitnessdate
it a dere i I ter et „zu i dest a u d zu zu teile
(vgl. auch Missomelius 2016). Nähere Angaben über Modi der Datenerhebung oder für das
Teilen genutzte Plattformen fehlen.
Zahlen aus dem Umfeld der Industrie und digitalen Wirtschaft sind ein weiterer Indikator für
die nachrangige Relevanz für Jugendliche: Eine Studie von 2015 für die E-Commerce-Messe
Internet World eist i erhal der Gruppe „deuts her I ter et-Nutzer oh e Altersa ga e
0,4 Prozent als Besitzerinnen und Besitzer von Datenbrillen, 1,7 Prozent von Smartwatches
und immerhin 4,9 Prozent von Fitness-Armbändern aus.3 Indirekt zeigt eine Studie des
Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) aus dem Jahr 2016, dass das Interesse der
Industrie an Minderjährigen gegenwärtig nicht ausgeprägt zu sein scheint. Die erhobenen
Daten über Smartwatchbesitz und -nutzung setzen bei 18 Jahren an. Für eine aktuellere
Erhebung zu Self-Tracking befragte das Meinungsforschungsinstitut GfK rund 20.000
Personen (15 Jahre und älter) in 16 Ländern4 – unter anderem mit dem Ergebnis, dass im
Durchschnitt etwa ein Drittel der Befragten Gesundheitstracking betreibt. Mehr als die
Hälfte davon begründet ihre Praxis mit Erhalt oder Steigerung der körperlichen Kondition.
20- bis 39-Jährige weisen dabei das größte Interesse auf.
Dass vor allem jüngere Verbraucherinnen und Verbraucher zur Nutzung von Wearables
tendieren, zeigen auch die Ergebnisse der repräsentativen Erhebung der
Verbraucherzentrale NRW (2017). Die Untersuchung von April 2017 weist fünf Prozent der
deutschen Internetnutzenden als Anwendende von Wearables aus (überwiegend FitnessArmbänder und Smartwatches). Die Gruppe der 14- bis 29-jährigen Nutzerinnen und Nutzern
ist dabei doppelt so groß wie jene der Über-50-Jährigen (6 % bzw. 3 %). Allerdings wird
präzisiert, dass lediglich drei Prozent aus der Gruppe der Unter-18-Jährigen Wearables
nutzen. Die Einschätzung bezüglich der Relevanz von Self-Tracking für Jugendliche hängt also
stark vom Alter der ‚Jugendlichen‘ ab. Jedenfalls wird deutlich, dass es sich bei Self-Tracking
(zumindest bislang) um ein Randphänomen unter (minderjährigen) Jugendlichen handelt.
Über die Gründe hierfür können vorerst lediglich vorsichtige Spekulationen angestellt
werden. Seitens der Industrie mag die Zurückhaltung bei Minderjährigen eine Rolle spielen,
da ‚die Medienöffentlichkeit‘ gerade bei dieser Personengruppe anhaltend sensibel auf
datenschutzrelevante Vorstöße reagiert. Eine weitere Argumentationslinie hebt auf die
Darstellungsmodi und die Rhetorik von Tracking-Geräten und -Apps ab. Diese gewinnen ihre
Evidenz aus der vorgeblichen (Natur-)Wissenschaftlichkeit ihrer Analysen (vgl. Zillien et al.
2015) – also aus der Quantifizierung von Verhalten und Körperdimensionen. Diese Daten
werden zwar in verständliche Formen übersetzt (Graphen, Kurven, Farbkodes etc.),5 für
Jugendliche könnte dieser Zugang zum eigenen Körper (gegenwärtig) allerdings weniger
anziehend wirken als unmittelbar selbstevidente, bildbasierte Körperpraktiken.
Während sowohl in der visuellen Jugendkultur von YouTube und Instagram als auch im
Kontext von Self-Tracking Körperideale, Selbst- und Fremdwahrnehmung oder Vorstellungen
von Schönheit zum Thema werden, zielen die „)ahle körper (Zillien et al. 2015) von SelfTracking darüber hinaus auf: Quantifizierung, Vermessung, Objektivierung,
Selbstbestimmung (vgl. Passig 2013) und Selbstdisziplinierung (vgl. Münte-Goussar et al.
3
2011), Datenerhebung, -speicherung und -verarbeitung durch sich selbst und durch andere
werden hier gegenständlich (vgl. Aßmann et al. 2016) – und aus diesem Grund zumindest
potenziell zu einem Gegenstand für die medienpädagogische Praxis.
Self-Tracking als Gegenstand medienpädagogischer Jugendarbeit
Explizit zu Self-Tracking existieren nach meinem Wissensstand bislang keine (zumindest
online dokumentierten) medienpädagogischen Projekte. Aus den erarbeiteten Gründen
dürfte das kaum überraschen. Grob können zumindest vier Dimensionen destilliert werden,
die vermutlich nicht alle bearbeitet werden können: (1) Selbstdisziplinierung und optimierung, (2) Erkenntnisse durch Messen, Zahlen und Visualisierungen, (3) der
Datenschutzaspekt sowie (4) mögliche gesellschaftliche Effekte individualisierter
Verantwortlichkeit. Entsprechend liegen Überschneidungen zu Themenfeldern wie Sport und
Medizin, Sozialwissenschaften und Politik, Mathematik und Physik sowie natürlich
verschiedenen Bereichen der Medienpädagogik auf der Hand. Aus Self-Tracking als
Gegenstand ergeben sich darüber hinaus spezifische übergreifende Herausforderungen, die
bei der Konzeption medienpädagogischer Projekte berücksichtigt werden sollten.
Keine Erfahrungen, keine Probleme!?
Wie die empirischen Daten zeigen, hat der größte Teil der Jugendlichen bislang kaum
Erfahrungen mit Self-Tracking-Technologien gemacht. Um diese zu thematisieren und dabei
Bezüge zu einer Lebenswelt herzustellen, deren Teil sie (noch) nicht sind, kann sich als eine
Schwierigkeit erweisen. Gleichzeitig öffnen sich durch die Arbeit in einem relativ
unbeschriebenen Feld neue Perspektiven und Handlungsoptionen. Wo es noch keine
eingeschliffenen Praktiken gibt, kann unbedarfter experimentiert werden und die reflexive
Distanzierung zum Gegenstand fällt nicht so schwer. Erfahrungen mit Smartphones haben
hingegen fast alle, wodurch sich hier Optionen für einen Einstieg eröffnen: Welche Sensoren
haben Smartphones? Welche Körperfunktionen kann ich dadurch messen? Welche Apps
erfordern welche Daten? Welche Geschäftsmodelle können daran anschließen?6
Schwieriger erscheint es, die Frage nach der Wertung einzuflechten. Wenn kein
Pro le e usstsei ü er die ge a te ‚Pro le zo e ‘ o “elf-Tracking vorhanden ist,
ka dieses i ht ei fa h ‚erler t‘ erde . Ei e Mögli hkeit, gerade die A i ale z u d
U e ts hiede heit z is he ‚Pro le e ‘ u d ‚Pote ziale ‘ her orzuhe e , besteht etwa in
der Formulierung von altersgerechten, dilemmatischen Szenarien (vgl. klicksafe.de 2015). So
kann einsichtig werden, in welcher Situation und für wen mit welchen Interessen Daten über
Schwangerschaft, Erbkrankheiten, Blutdruck, psychische Probleme und so weiter Vorund/oder Nachteile mit sich bringen.
Körper als Kampfzone – Körper als Bühne
Self-Tracking richtet sich überwiegend an unsere Körper. Diese Körper explizit und mit realen
Daten zum Gegenstand von Diskussionen und Reflexionen zu machen, bringt ein Maximum
an Relevanz mit sich. Zugleich gilt es, einen höchst sensiblen Umgang zu wahren, da das
Aufeinandertreffen von dominanten Normalitätsvorstellungen, von Selbst- und
Fremdbildern rasch zu unangenehmen Situationen für einzelne führen kann.
Durch fiktive Rollen und Perspektivwechsel etwa kann der direkte Bezug zum eigenen Körper
ein wenig entkoppelt werden.7 Der Fokus auf weniger problematische Aspekte wie
Körpergröße, Puls, Schrittzahl, Schlaf oder Zeitnutzung erlaubt es zudem wenigstens im
4
Ansatz, die sensibelsten ‚Kampfzonen der Körper‘ Ge i ht, die ‚Li ie‘, Intimbereiche oder
‚se uelle Leistu gsfähigkeit‘ et cetera) auszusparen.
Handlungsorientierung und Datenschutz
Es kann zu Recht in Zweifel gezogen werden, ob es sinnvoll sein kann, in Bezug auf den
Datenschutz problematische Apps oder Geräte ohne Weiteres in Projekten einzusetzen –
insbesondere, wenn es sich um verpflichtende, formale Bildungskontexte handelt. Trotzdem
sollte versucht werden, ins ‚Tun‘ zu kommen, um eigene konkrete Erfahrungen zu
ermöglichen. Wie lässt sich diesem scheinbaren Widerspruch entkommen?
Nicht jede Software zielt auf Ausbeutung von Nutzerverhalten. Open Source-Lösungen sind
transparent und erlauben ein hohes Maß an Kontrolle über Modi der Nutzung.8 Daten, die in
Systeme eingespeist werden, können manipuliert, pseudonymisiert oder ‚geremixt‘ werden.
“ofer die ei gespielte Date
or iert erde „Alle a he exakt
“ hritte. ,
können die Sensoren in den Geräten auf ihre Funktionalität und Präzision überprüft werden,
wodurch die scheinbar neutrale Objektivität der Geräte thematisiert werden kann. Denkbar
wäre weiterführend, eine Datenbank mit Open Self-Tracking Data anzulegen, auf der
faktuale und fiktive, nicht-personenbezogene Datensätze für Auswertungsexperimente zu
finden wären.
Mehr als Statistinnen: Statistik und Datenvisualisierung
Durch die Nutzung von Self-Tracking-Technologien ist es möglich, neue Erkenntnisse über
vielfältige Bereiche zu erlangen. Messwerte sind nicht per se zu verurteilen, sondern
erfordern eine entsprechende Interpretation, um zu sinnvollen Information zu werden. Je
besser die erhobenen und ausgewerteten Daten verstanden und durchdrungen werden
können, desto mehr können sie mit Sinn angereichert werden und desto reichhaltigere und
reflektiertere Erkenntnisse werden denkbar (vgl. Sharon 2016). Damit wird einerseits das
sperrige Thema Statistik angesprochen, andererseits gilt es, die Übersetzung von
Messwerten in die visuelle Rhetorik von Diagrammen und anderen Grafiken zu dechiffrieren.
Ein Beispiel für die Erarbeitung statistischen Grundwissens bietet ein Schulprojekt für die
Schulstufen sieben bis zehn, in dem anhand des Klassenklimas eine vollständige
Datenerhebung und -auswertung mit einer Gruppe durchgespielt werden kann (vgl. bpb
2010). Das Beispiel dient dem Aufspüren von möglichen Fehlerquellen und wichtigen
Aspekten in der Interpretation von Ergebnisdarstellungen. Die Übertragung der
Grundkonzeption auf Körper- und Gesundheitsdaten dürfte machbar sein.
Du bist nicht allein: Kollektive Handlungsfähigkeit erlangen!
So wichtig ein anwendendes, lustvolles und produktives Verständnis von Self-TrackingTechnologien auch ist – auf dieser Ebene stehen zu bleiben, würde zwei wichtige
Dimensionen aussparen, die als integraler Bestandteil medienpädagogischer Methoden zum
Thema betrachtet werden sollten: die kritische Reflexion über mögliche Effekte und Folgen
der (individuellen und gesellschaftlichen) Anwendung solcher Technologien und
Perspektiven kollektiver Handlungsfähigkeit. Am Beispiel von Privatsphäre lässt sich gut
zeigen, dass diese nicht von Einzelnen hergestellt werden kann, sondern per se sozial
verfasst ist. Mehr noch gilt dies, wenn durch digitale Technologie „ er etzte Pri atheite
„ et orked pri a , Marwick/boyd 2014) hergestellt werden. Entsprechend können auch
Maßnahmen zur Steigerung der je eigenen Selbstbestimmung und Handlungsfähigkeit nicht
ausschließlich im Bereich individuellen Handelns beruhen, sondern müssen konstitutiv
überindividuell und gesellschaftlich gedacht werden.
5
Im seltenen Idealfall könnte die längerfristige Arbeit mit einer Jugendgruppe darauf abzielen,
mit politischen Akteurinnen und Akteuren in Austausch über Datenschutzrichtlinien zu
gehen oder entsprechend dem Bundesdatenschutzgesetz von einzelnen Anbietern die
Herausgabe gespeicherter Daten zu verlangen. Eine andere Möglichkeit bietet das etablierte
Konzept der Zukunftswerkstatt, die eine ähnliche Gestaltungsperspektive anstrebt, nämlich
die Gestaltung des Zusammenlebens – mit anderen und mit Medien.9
Fazit und Ausblick
Wie anhand aktueller Zahlen gezeigt wurde, kann Self-Tracking im hier verwendeten
Verständnis gegenwärtig nicht als prominenter Teil von Jugendmedienkulturen bezeichnet
werden. Trotzdem: Der bei Jugendlichen vermutlich ansteigenden Motivation, Self-Tracking
zu nutzen, kann nicht mit dem Totalausstieg gekontert werden, sondern sie muss, wie stets,
mit dem Ziel einer kritisch-reflektierten Nutzung Einzelner mit professionellem,
medienpädagogischem Handeln begleitet werden. Gleichzeitig gilt es, die kollektive
Mitgestaltung der gesellschaftlichen (kulturellen, rechtlichen, politischen sowie technischen)
Rahmenbedingungen für diese Nutzung ins Auge zu fassen, um Spielräume der
Selbstbestimmung in den Bereichen auszuweiten, deren Gestaltung individuellen
Handlungsoptionen verschlossen sind. In einer Gegenüberstellung von Schwierigkeiten der
Konzeption von Methoden zu Self-Tracking und Möglichkeiten, diesen zu begegnen, wurden
einige Perspektiven für die praktische Arbeit aufgezeigt, die sich zudem auf verschiedene
Weise mit bestehenden Methoden wie AR-Anwendungen oder Game-based Learning
verbinden lassen. In jedem Fall stellt Self-Tracking ein Feld dar, das sich mit anderen,
relevanten Feldern überlagert – Selbstoptimierung, Datenschutz, Zahlen verstehen oder
Effekte gesellschaftlicher Ent/Solidarisierung – und somit trotz (oder gerade aufgrund) der
aktuellen Nutzungszahlen einen probaten ‚e tr poi t‘ für die edie pädagogis he u d
andere) Jugendarbeit bietet.
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Valentin Dander ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Medienbildung der
Europa-Universität Flensburg und promoviert an der Universität zu Köln zu digitalen Daten
und Bildung. Für das jfc medienzentrum hat er sich mit Blick auf Big Data Analytics erstmals
in der Ko-Konzeption medienpädagogischer Methoden versucht.
1 Die entwickelten Methoden sind auf der Seite des jfc medienzentrum e. V. unter CC-Lizenz abrufbar:
www.jfc.info/projekte-id59-seite= [)ugriff: . 7.
7]. “ie si d Teil der “a
lu g zu „Big Data u d politis he
Bildu g der p :
. p .de/ler e /digitale-bildung/medienpaedagogik/228941/big-data-und-politischebildung [Zugriff: 15.07.2017].
2
Mitglieder der Quantified-Self-Bewegung (QS) folgen dem Motto self k o ledge through u ers .
Mit QS ist eher eine bestimmte Gruppe von Personen gemeint als die Praxis selbst (oder zumindest beides).
Daher wird im Weiteren darauf verzichtet, genauer darauf einzugehen (vgl. dazu die Website von Quantified
Self Labs, der federführenden Firma hinter der Bewegung: www.quantifiedself.com/about [Zugriff: 08.03.2017]
oder auch entsprechende wissenschaftliche Arbeiten, etwa Damberger/Iske 2017 oder Meißner 2016).
3
Dass die ei fa he U ters heidu g „ it/oh e A itur ei geführt
Exklusion von minderjährigen Schülerinnen und Schülern sein.
ird, kö
te ei Hi
eis auf die
4
Vgl.
die
Pressemitteilung
der
GfK:www.gfk.com/fileadmin/user_upload/website_content/Images/Global_Study/Fitness_tracking/Documents
/20160929_PR-study_Monitoring-health-fitness_press_release_vfinal.pdf [Zugriff: 15.07.2017]
5
Vgl. dazu die Normalismus-Studie von Jürgen Link (1997), in welcher sol he „Kur e la ds hafte
Kollektivsymbolik und normalisierendes Dispositiv kritisch analysiert werden.
9
als
6
Vgl.
dazu
au h
das
Pla spiel
„“tart-up
i
Datarr
www.jfc.info/data/Big_Data_Planspiel_V3.pdf [Zugriff: 22.07.2017]
des
jf
edie ze tru :
7 Hierfür kö te dur haus die
fikti e Charaktere ge utzt erde , die für das Gesells haftsspiel „LifeProfiler erstellt urde : www.jfc.info/projekte-id59-seite=1 [Zugriff: 22.07.2017]
8 Fluxtream z. B. ist ein open-source non-profit personal data visualization framework to help you make sense
of your life and compare hypotheses about what affects your well- ei g . Damit können vielfältige TrackingDaten organisiert und ausgewertet werden.
9 Vgl. hierzu die Ko zeptio ei er „)uku fts erkstatt Digitopia zu Big Data A al ti s dur h das jf
medienzentrum: www.jfc.info/projekte-id59-seite=1 [Zugriff: 22.07.2017]
10