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Preprint-Version des Beitrags: Da de , Vale ti . „Self-T a ki g als Gege sta d edie pädagogis he medien+erziehung - zeitschrift für medienpädagogik, Nr. 2017/05. Juge da eit?“ merz - Self-Tracking als Gegenstand medienpädagogischer Jugendarbeit? Valentin Dander Das Feld von Self-Tracking wird theoretisch abgesteckt und gesellschaftlich kontextualisiert. Entlang aktueller Untersuchungen wird die empirische Nutzung von Self-Tracking-Devices und -Apps durch Jugendliche skizziert, um schließlich mögliche Hindernisse und methodische Ansätze in der medienpädagogischen Jugendarbeit zu benennen. Obwohl Self-Tracking gegenwärtig keine herausragende Bedeutung für jugendliche Mediennutzung zukommt, bündeln sich darin für Jugendliche relevante Fragestellungen. „data eilla e a d ou te aila e oe ist ot i a diale ti al st uggle ut athe a e so fundamentally entangled that the line separating the one from the other is unstable. Positioned as we are within the dataveillance regime, we cannot but employ the tactics of i a e t iti ue, hi h [...] depe ds si pl o o di a a tio itself.“ (Raley 2013, S. 139) Kontext und Überblick Dieser Beitrag nimmt es sich zur Aufgabe, den weiten Bogen von der begrifflichen Bestimmung von Self-Tracking über seine gesellschaftliche Kontextualisierung bis hin zu praktischen Überlegungen der medienpädagogischen Jugendarbeit zu schlagen. Grundlage dafür liefert ein Working Paper über Algorithmen und Self-Tracking (vgl. Dander 2017), das im Zuge eines Projekts des jfc medienzentrum e. V. in Köln entstand. Dieses Papier aggregierte in einem Zwischenschritt Rechercheergebnisse und den Forschungsstand für eine Methodenentwicklung zum Themenfeld Big Data Analytics, die 2016/17 durchgeführt und durch die Bundeszentrale für politische Bildung gefördert wurde.1 Dabei wurde versucht, aktuelle Forschungsergebnisse mit der Konzeptentwicklung zu verzahnen. Dieser Idee folgt auch der vorliegende Text, weshalb das Feld von Self-Tracking mit einer Begriffsbestimmung eröffnet und gesellschaftlich kontextualisiert wird. Im Anschluss wird entlang aktueller Untersuchungen die empirische Nutzung von Self-Tracking-Devices und -Apps durch Jugendliche skizziert, um dann auf Hindernisse und Potenziale in der medienpädagogischen Jugendarbeit zu sprechen zu kommen. Self-Tracking als gesellschaftliche Praxis Die omnipräsente Rede von „Digitalisieru g (vgl. z. B. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) 2016) u d „Datafizieru g (vgl. Mayer- Schönberger/Cukier 2013) oder „Verdatu g (vgl. Schneider/Otto 2007) der Gesellschaft dokumentiert bereits seit einigen Jahren die Relevanz, die digitalen Daten zugeschrieben wird. Die Digitalisierung, Datafizierung oder Verdatung der Einzelnen durch sich selbst – SelfTracking – stellt dabei einen sehr spezifischen Modus der Datengenerierung (und auswertung) dar. Die Bedeutsamkeit auch dieser Datenanalysen leitet sich jedoch nicht nur aus individuellen Datensätzen ab, sondern ist mit gesamtgesellschaftlichen Prozessen im Kleinen wie im Großen fundamental verflochten. Einerseits sind es (sozio-)technische Entwicklungen, die Self-Tracking im großen Stil allererst ermöglichten. Digitale Geräte (siehe Fitness-Devices und andere Wearables) können immer leichter vernetzt werden, sind mit immer mehr Sensoren ausgestattet, die immer mehr und vielfältigere Daten über verschiedene Verhaltensweisen aufzeichnen können. Diese können durch immer effizientere und komplexere algorithmische Rechenoperationen nach immer schwerer nachvollziehbareren Mustern ausgewertet werden. Eine Folge dieser Entwicklungen besteht in einer neuen Qualität von Datenanalysen und ihren Ergebnissen. Zudem steigt die Nachfrage für die Erkenntnisse, die in solchen Analysen gewonnen werden zusehends, weshalb sich sehr rasch ein entsprechender Markt entwickelt hat (vgl. Gapski 2015). Horst Niesyto (2017) formuliert dazu prägnant: „Die Ver essu g ahezu aller Lebenswelten und des eigenen Körpers (Self-Tracking etc.) offerieren die Optimierung des Alltags und des Selbst, haben allerdings einen harten kapitalistischen Kern: die Erschliessng neuer Absatzmärkte, die Ökonomisierung immer weiterer Lebensbereiche, die Kontrolle und Ü er a hu g des Körpers. (S. 19) Diese Feststellung verweist, andererseits, explizit auf die politische Dimension von SelfTracking. Felix Stalder (2016) et a ezei h et sol he Praktike als „Diszipli arregi e, das direkt auf den Körper zielt (S. 239). Hier ei geht es daru , el he ‚Art Me s h‘ ein solches Regime wahrscheinlicher werden lässt und welche Konsequenzen das für demokratisch verfasste Gesellschaften haben kann (wie etwa die Entsolidarisierung im Versicherungswesen). Ähnliche, kapitalismus- oder machtkritische Perspektiven finden sich zahlreich in der Literatur zum Gegenstand (vgl. z. B. Selke 2016). Vor dem skizzierten Hintergrund kann nun präzisiert werden, was Self-Tra ki g ‚ist‘: Als „“elf-Tra ki g ezei h et der “oziologe “tefa “elke „Körper- und Gesu dheits o itori g (S. 177), wie es etwa von der Quantified Self-Bewegung2 vorangetrieben wird. Es sei eine von vier Formen von Lifelogging, worunter er die Aufzeichnung verschiedenster Lebensäußerungen von Menschen mit Hilfe von digitalen Geräten versteht. Sogenannte Wearables spielen für Self-Tracking eine zentrale Rolle, wie zum Beispiel Google Glass, SmartWatches oder Activity Tracker. Einige Self-TrackingFunktionen können von Smartphones mit entsprechenden Apps übernommen werden. Self-Tracking richtet sich vorrangig auf die physische Gesundheit und Fitness der Nutzenden. Aber auch psychische Zustände können vermessen und errechnet werden (vgl. Pritz 2016). Dass und i iefer au h ‚A dere‘ I teresse a ei e ‚“elf‘-Tracking haben können, zeigt ein Bericht der Verbraucherzentrale zum Thema unter anderem am Beispiel Fitness-Apps für Krankenkassen (vgl. Marktwächter/Verbraucherzentrale NRW e. V. 2017). Self-Tracking Jugendlicher als empirisches Phänomen Mit Blick auf Nutzungsweisen Jugendlicher liegen nur wenige empirische Erkenntnisse vor. Eher verweisen die Zahlen direkt oder indirekt darauf, dass Minderjährige gegenwärtig nicht zur vorrangigen Nutzungsgruppe von Self-Tracking-Anwendungen gehören. Die schwache Datengrundlage könnte auch darin begründet sein, dass Wearables oder Self-Tracking-Apps 2 in klassischen Mediennutzungsstudien (noch) keine explizite Berücksichtigung finden. Die letzten JIM-Studien weisen in der Geräteausstattung und Mediennutzung vergleichbare Geräte nicht aus (vgl. mpfs 2015; 2016). Auch bei Smartphone-Apps werden keine FitnessApps genannt. Mit fast flächendeckender Smartphone-Ausstattung (2016: 95 % der deutschen Zwölf- bis 19-Jährigen) hätten all jene die nötigen technischen Voraussetzungen. In den Ergebnissen der Bitkom-Studie (2014) über das Internetnutzungsverhalten von Zehnbis 18-Jährige o ge e i “ h itt fü f Proze t der Befragte a , „eige e Sportergebnisse oder Fitnessdate it a dere i I ter et „zu i dest a u d zu zu teile (vgl. auch Missomelius 2016). Nähere Angaben über Modi der Datenerhebung oder für das Teilen genutzte Plattformen fehlen. Zahlen aus dem Umfeld der Industrie und digitalen Wirtschaft sind ein weiterer Indikator für die nachrangige Relevanz für Jugendliche: Eine Studie von 2015 für die E-Commerce-Messe Internet World eist i erhal der Gruppe „deuts her I ter et-Nutzer oh e Altersa ga e 0,4 Prozent als Besitzerinnen und Besitzer von Datenbrillen, 1,7 Prozent von Smartwatches und immerhin 4,9 Prozent von Fitness-Armbändern aus.3 Indirekt zeigt eine Studie des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) aus dem Jahr 2016, dass das Interesse der Industrie an Minderjährigen gegenwärtig nicht ausgeprägt zu sein scheint. Die erhobenen Daten über Smartwatchbesitz und -nutzung setzen bei 18 Jahren an. Für eine aktuellere Erhebung zu Self-Tracking befragte das Meinungsforschungsinstitut GfK rund 20.000 Personen (15 Jahre und älter) in 16 Ländern4 – unter anderem mit dem Ergebnis, dass im Durchschnitt etwa ein Drittel der Befragten Gesundheitstracking betreibt. Mehr als die Hälfte davon begründet ihre Praxis mit Erhalt oder Steigerung der körperlichen Kondition. 20- bis 39-Jährige weisen dabei das größte Interesse auf. Dass vor allem jüngere Verbraucherinnen und Verbraucher zur Nutzung von Wearables tendieren, zeigen auch die Ergebnisse der repräsentativen Erhebung der Verbraucherzentrale NRW (2017). Die Untersuchung von April 2017 weist fünf Prozent der deutschen Internetnutzenden als Anwendende von Wearables aus (überwiegend FitnessArmbänder und Smartwatches). Die Gruppe der 14- bis 29-jährigen Nutzerinnen und Nutzern ist dabei doppelt so groß wie jene der Über-50-Jährigen (6 % bzw. 3 %). Allerdings wird präzisiert, dass lediglich drei Prozent aus der Gruppe der Unter-18-Jährigen Wearables nutzen. Die Einschätzung bezüglich der Relevanz von Self-Tracking für Jugendliche hängt also stark vom Alter der ‚Jugendlichen‘ ab. Jedenfalls wird deutlich, dass es sich bei Self-Tracking (zumindest bislang) um ein Randphänomen unter (minderjährigen) Jugendlichen handelt. Über die Gründe hierfür können vorerst lediglich vorsichtige Spekulationen angestellt werden. Seitens der Industrie mag die Zurückhaltung bei Minderjährigen eine Rolle spielen, da ‚die Medienöffentlichkeit‘ gerade bei dieser Personengruppe anhaltend sensibel auf datenschutzrelevante Vorstöße reagiert. Eine weitere Argumentationslinie hebt auf die Darstellungsmodi und die Rhetorik von Tracking-Geräten und -Apps ab. Diese gewinnen ihre Evidenz aus der vorgeblichen (Natur-)Wissenschaftlichkeit ihrer Analysen (vgl. Zillien et al. 2015) – also aus der Quantifizierung von Verhalten und Körperdimensionen. Diese Daten werden zwar in verständliche Formen übersetzt (Graphen, Kurven, Farbkodes etc.),5 für Jugendliche könnte dieser Zugang zum eigenen Körper (gegenwärtig) allerdings weniger anziehend wirken als unmittelbar selbstevidente, bildbasierte Körperpraktiken. Während sowohl in der visuellen Jugendkultur von YouTube und Instagram als auch im Kontext von Self-Tracking Körperideale, Selbst- und Fremdwahrnehmung oder Vorstellungen von Schönheit zum Thema werden, zielen die „)ahle körper (Zillien et al. 2015) von SelfTracking darüber hinaus auf: Quantifizierung, Vermessung, Objektivierung, Selbstbestimmung (vgl. Passig 2013) und Selbstdisziplinierung (vgl. Münte-Goussar et al. 3 2011), Datenerhebung, -speicherung und -verarbeitung durch sich selbst und durch andere werden hier gegenständlich (vgl. Aßmann et al. 2016) – und aus diesem Grund zumindest potenziell zu einem Gegenstand für die medienpädagogische Praxis. Self-Tracking als Gegenstand medienpädagogischer Jugendarbeit Explizit zu Self-Tracking existieren nach meinem Wissensstand bislang keine (zumindest online dokumentierten) medienpädagogischen Projekte. Aus den erarbeiteten Gründen dürfte das kaum überraschen. Grob können zumindest vier Dimensionen destilliert werden, die vermutlich nicht alle bearbeitet werden können: (1) Selbstdisziplinierung und optimierung, (2) Erkenntnisse durch Messen, Zahlen und Visualisierungen, (3) der Datenschutzaspekt sowie (4) mögliche gesellschaftliche Effekte individualisierter Verantwortlichkeit. Entsprechend liegen Überschneidungen zu Themenfeldern wie Sport und Medizin, Sozialwissenschaften und Politik, Mathematik und Physik sowie natürlich verschiedenen Bereichen der Medienpädagogik auf der Hand. Aus Self-Tracking als Gegenstand ergeben sich darüber hinaus spezifische übergreifende Herausforderungen, die bei der Konzeption medienpädagogischer Projekte berücksichtigt werden sollten. Keine Erfahrungen, keine Probleme!? Wie die empirischen Daten zeigen, hat der größte Teil der Jugendlichen bislang kaum Erfahrungen mit Self-Tracking-Technologien gemacht. Um diese zu thematisieren und dabei Bezüge zu einer Lebenswelt herzustellen, deren Teil sie (noch) nicht sind, kann sich als eine Schwierigkeit erweisen. Gleichzeitig öffnen sich durch die Arbeit in einem relativ unbeschriebenen Feld neue Perspektiven und Handlungsoptionen. Wo es noch keine eingeschliffenen Praktiken gibt, kann unbedarfter experimentiert werden und die reflexive Distanzierung zum Gegenstand fällt nicht so schwer. Erfahrungen mit Smartphones haben hingegen fast alle, wodurch sich hier Optionen für einen Einstieg eröffnen: Welche Sensoren haben Smartphones? Welche Körperfunktionen kann ich dadurch messen? Welche Apps erfordern welche Daten? Welche Geschäftsmodelle können daran anschließen?6 Schwieriger erscheint es, die Frage nach der Wertung einzuflechten. Wenn kein Pro le e usstsei ü er die ge a te ‚Pro le zo e ‘ o “elf-Tracking vorhanden ist, ka dieses i ht ei fa h ‚erler t‘ erde . Ei e Mögli hkeit, gerade die A i ale z u d U e ts hiede heit z is he ‚Pro le e ‘ u d ‚Pote ziale ‘ her orzuhe e , besteht etwa in der Formulierung von altersgerechten, dilemmatischen Szenarien (vgl. klicksafe.de 2015). So kann einsichtig werden, in welcher Situation und für wen mit welchen Interessen Daten über Schwangerschaft, Erbkrankheiten, Blutdruck, psychische Probleme und so weiter Vorund/oder Nachteile mit sich bringen. Körper als Kampfzone – Körper als Bühne Self-Tracking richtet sich überwiegend an unsere Körper. Diese Körper explizit und mit realen Daten zum Gegenstand von Diskussionen und Reflexionen zu machen, bringt ein Maximum an Relevanz mit sich. Zugleich gilt es, einen höchst sensiblen Umgang zu wahren, da das Aufeinandertreffen von dominanten Normalitätsvorstellungen, von Selbst- und Fremdbildern rasch zu unangenehmen Situationen für einzelne führen kann. Durch fiktive Rollen und Perspektivwechsel etwa kann der direkte Bezug zum eigenen Körper ein wenig entkoppelt werden.7 Der Fokus auf weniger problematische Aspekte wie Körpergröße, Puls, Schrittzahl, Schlaf oder Zeitnutzung erlaubt es zudem wenigstens im 4 Ansatz, die sensibelsten ‚Kampfzonen der Körper‘ Ge i ht, die ‚Li ie‘, Intimbereiche oder ‚se uelle Leistu gsfähigkeit‘ et cetera) auszusparen. Handlungsorientierung und Datenschutz Es kann zu Recht in Zweifel gezogen werden, ob es sinnvoll sein kann, in Bezug auf den Datenschutz problematische Apps oder Geräte ohne Weiteres in Projekten einzusetzen – insbesondere, wenn es sich um verpflichtende, formale Bildungskontexte handelt. Trotzdem sollte versucht werden, ins ‚Tun‘ zu kommen, um eigene konkrete Erfahrungen zu ermöglichen. Wie lässt sich diesem scheinbaren Widerspruch entkommen? Nicht jede Software zielt auf Ausbeutung von Nutzerverhalten. Open Source-Lösungen sind transparent und erlauben ein hohes Maß an Kontrolle über Modi der Nutzung.8 Daten, die in Systeme eingespeist werden, können manipuliert, pseudonymisiert oder ‚geremixt‘ werden. “ofer die ei gespielte Date or iert erde „Alle a he exakt “ hritte. , können die Sensoren in den Geräten auf ihre Funktionalität und Präzision überprüft werden, wodurch die scheinbar neutrale Objektivität der Geräte thematisiert werden kann. Denkbar wäre weiterführend, eine Datenbank mit Open Self-Tracking Data anzulegen, auf der faktuale und fiktive, nicht-personenbezogene Datensätze für Auswertungsexperimente zu finden wären. Mehr als Statistinnen: Statistik und Datenvisualisierung Durch die Nutzung von Self-Tracking-Technologien ist es möglich, neue Erkenntnisse über vielfältige Bereiche zu erlangen. Messwerte sind nicht per se zu verurteilen, sondern erfordern eine entsprechende Interpretation, um zu sinnvollen Information zu werden. Je besser die erhobenen und ausgewerteten Daten verstanden und durchdrungen werden können, desto mehr können sie mit Sinn angereichert werden und desto reichhaltigere und reflektiertere Erkenntnisse werden denkbar (vgl. Sharon 2016). Damit wird einerseits das sperrige Thema Statistik angesprochen, andererseits gilt es, die Übersetzung von Messwerten in die visuelle Rhetorik von Diagrammen und anderen Grafiken zu dechiffrieren. Ein Beispiel für die Erarbeitung statistischen Grundwissens bietet ein Schulprojekt für die Schulstufen sieben bis zehn, in dem anhand des Klassenklimas eine vollständige Datenerhebung und -auswertung mit einer Gruppe durchgespielt werden kann (vgl. bpb 2010). Das Beispiel dient dem Aufspüren von möglichen Fehlerquellen und wichtigen Aspekten in der Interpretation von Ergebnisdarstellungen. Die Übertragung der Grundkonzeption auf Körper- und Gesundheitsdaten dürfte machbar sein. Du bist nicht allein: Kollektive Handlungsfähigkeit erlangen! So wichtig ein anwendendes, lustvolles und produktives Verständnis von Self-TrackingTechnologien auch ist – auf dieser Ebene stehen zu bleiben, würde zwei wichtige Dimensionen aussparen, die als integraler Bestandteil medienpädagogischer Methoden zum Thema betrachtet werden sollten: die kritische Reflexion über mögliche Effekte und Folgen der (individuellen und gesellschaftlichen) Anwendung solcher Technologien und Perspektiven kollektiver Handlungsfähigkeit. Am Beispiel von Privatsphäre lässt sich gut zeigen, dass diese nicht von Einzelnen hergestellt werden kann, sondern per se sozial verfasst ist. Mehr noch gilt dies, wenn durch digitale Technologie „ er etzte Pri atheite „ et orked pri a , Marwick/boyd 2014) hergestellt werden. Entsprechend können auch Maßnahmen zur Steigerung der je eigenen Selbstbestimmung und Handlungsfähigkeit nicht ausschließlich im Bereich individuellen Handelns beruhen, sondern müssen konstitutiv überindividuell und gesellschaftlich gedacht werden. 5 Im seltenen Idealfall könnte die längerfristige Arbeit mit einer Jugendgruppe darauf abzielen, mit politischen Akteurinnen und Akteuren in Austausch über Datenschutzrichtlinien zu gehen oder entsprechend dem Bundesdatenschutzgesetz von einzelnen Anbietern die Herausgabe gespeicherter Daten zu verlangen. Eine andere Möglichkeit bietet das etablierte Konzept der Zukunftswerkstatt, die eine ähnliche Gestaltungsperspektive anstrebt, nämlich die Gestaltung des Zusammenlebens – mit anderen und mit Medien.9 Fazit und Ausblick Wie anhand aktueller Zahlen gezeigt wurde, kann Self-Tracking im hier verwendeten Verständnis gegenwärtig nicht als prominenter Teil von Jugendmedienkulturen bezeichnet werden. Trotzdem: Der bei Jugendlichen vermutlich ansteigenden Motivation, Self-Tracking zu nutzen, kann nicht mit dem Totalausstieg gekontert werden, sondern sie muss, wie stets, mit dem Ziel einer kritisch-reflektierten Nutzung Einzelner mit professionellem, medienpädagogischem Handeln begleitet werden. Gleichzeitig gilt es, die kollektive Mitgestaltung der gesellschaftlichen (kulturellen, rechtlichen, politischen sowie technischen) Rahmenbedingungen für diese Nutzung ins Auge zu fassen, um Spielräume der Selbstbestimmung in den Bereichen auszuweiten, deren Gestaltung individuellen Handlungsoptionen verschlossen sind. In einer Gegenüberstellung von Schwierigkeiten der Konzeption von Methoden zu Self-Tracking und Möglichkeiten, diesen zu begegnen, wurden einige Perspektiven für die praktische Arbeit aufgezeigt, die sich zudem auf verschiedene Weise mit bestehenden Methoden wie AR-Anwendungen oder Game-based Learning verbinden lassen. In jedem Fall stellt Self-Tracking ein Feld dar, das sich mit anderen, relevanten Feldern überlagert – Selbstoptimierung, Datenschutz, Zahlen verstehen oder Effekte gesellschaftlicher Ent/Solidarisierung – und somit trotz (oder gerade aufgrund) der aktuellen Nutzungszahlen einen probaten ‚e tr poi t‘ für die edie pädagogis he u d andere) Jugendarbeit bietet. Literatur Aßmann, Sandra/Brüggen, Niels/Dander, Valentin/Gapski, Harald/Sieben, Gerda/Tillmann, Angela/Zorn, Isabel (2016). Digitale Datenerhebung und -verwertung als Herausforderung für Medienbildung und Gesellschaft. Ein medienpädagogisches Diskussionspapier zu Big Data und Data Analytics. In: Brüggemann, Marion/Knaus, Thomas/Meister, Dorothee (Hrsg.) Kommunikationskulturen in digitalen Welten. Konzepte und Strategien der Medienpädagogik und Medienbildung, München: kopaed. www.keine-bildung-ohne-medien.de/wpcontent/uploads/2014/06/bigdata_diskussionspapier_gmk_kbom.pdf [Pre-print; Zugriff: 22.07.2017]. BITKOM (Hrsg.) (2014). 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Missomelius, Petra (2016). Das digitale Selbst - Data Doubles der Selbstvermessung. In: Selke, Stefan (Hrsg.) Lifelogging: digitale Selbstvermessung undLebensprotokollierung zwischen disruptiver Technologie und kulturellem Wandel, Wiesbaden: Springer VS, S. 257–286. Münte-Goussar, Stephan/Mayrberger, Kerstin/Meyer, Torsten/Schwalbe, Christina (2011). Einleitung. In: Meyer, Torsten/Mayrberger, Kerstin/Münte-Goussar, Stephan/Schwalbe, Christina (Hrsg.) Kontrolle und Selbstkontrolle. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 15–30. Niesyto, Horst (2017). Medienpädagogik und digitaler Kapitalismus. Für die Stärkung einer gesellschafts-und medienkritischen Perspektive. In: MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 27, S. 1–29. Passig, Kathrin (2013). Unsere Daten, unser Leben. In: Standardsituationen der Technologiekritik. Berlin: Suhrkamp, S. 85–101. Pritz, Sarah Miriam (2016). Zur digitalen Selbstvermessung der Gefühle. 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Sharon, Tamar (2016). Self-Tracking for Health and the Quantified Self: Re-Articulating Autonomy, Solidarity, and Authenticity in an Age of Personalized Healthcare. In: Philosophy & Technology, 30, p. 93–121. DOI: 10.1007/s13347-016-0215-5. Stalder, Zillien, Felix (2016). Kultur der Digitalität. Berlin: Suhrkamp. Nicole/Fröhlich, Gerrit/Dötsch, Mareike (2015). Zahlenkörper. Digitale Selbstvermessung als Verdinglichung des Körpers. In: Hahn, Kornelia/Stempfhuber, Martin (Hrsg.), Präsenzen 2.0. Körperinszenierung in Medienkulturen. Springer Fachmedien Wiesbaden, (Medienkulturen im digitalen Zeitalter), S. 77–96. Valentin Dander ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Medienbildung der Europa-Universität Flensburg und promoviert an der Universität zu Köln zu digitalen Daten und Bildung. Für das jfc medienzentrum hat er sich mit Blick auf Big Data Analytics erstmals in der Ko-Konzeption medienpädagogischer Methoden versucht. 1 Die entwickelten Methoden sind auf der Seite des jfc medienzentrum e. V. unter CC-Lizenz abrufbar: www.jfc.info/projekte-id59-seite= [)ugriff: . 7. 7]. “ie si d Teil der “a lu g zu „Big Data u d politis he Bildu g der p : . p .de/ler e /digitale-bildung/medienpaedagogik/228941/big-data-und-politischebildung [Zugriff: 15.07.2017]. 2 Mitglieder der Quantified-Self-Bewegung (QS) folgen dem Motto self k o ledge through u ers . Mit QS ist eher eine bestimmte Gruppe von Personen gemeint als die Praxis selbst (oder zumindest beides). Daher wird im Weiteren darauf verzichtet, genauer darauf einzugehen (vgl. dazu die Website von Quantified Self Labs, der federführenden Firma hinter der Bewegung: www.quantifiedself.com/about [Zugriff: 08.03.2017] oder auch entsprechende wissenschaftliche Arbeiten, etwa Damberger/Iske 2017 oder Meißner 2016). 3 Dass die ei fa he U ters heidu g „ it/oh e A itur ei geführt Exklusion von minderjährigen Schülerinnen und Schülern sein. ird, kö te ei Hi eis auf die 4 Vgl. die Pressemitteilung der GfK:www.gfk.com/fileadmin/user_upload/website_content/Images/Global_Study/Fitness_tracking/Documents /20160929_PR-study_Monitoring-health-fitness_press_release_vfinal.pdf [Zugriff: 15.07.2017] 5 Vgl. dazu die Normalismus-Studie von Jürgen Link (1997), in welcher sol he „Kur e la ds hafte Kollektivsymbolik und normalisierendes Dispositiv kritisch analysiert werden. 9 als 6 Vgl. dazu au h das Pla spiel „“tart-up i Datarr www.jfc.info/data/Big_Data_Planspiel_V3.pdf [Zugriff: 22.07.2017] des jf edie ze tru : 7 Hierfür kö te dur haus die fikti e Charaktere ge utzt erde , die für das Gesells haftsspiel „LifeProfiler erstellt urde : www.jfc.info/projekte-id59-seite=1 [Zugriff: 22.07.2017] 8 Fluxtream z. B. ist ein open-source non-profit personal data visualization framework to help you make sense of your life and compare hypotheses about what affects your well- ei g . Damit können vielfältige TrackingDaten organisiert und ausgewertet werden. 9 Vgl. hierzu die Ko zeptio ei er „)uku fts erkstatt Digitopia zu Big Data A al ti s dur h das jf medienzentrum: www.jfc.info/projekte-id59-seite=1 [Zugriff: 22.07.2017] 10