XR im Sport-, Musik- und Kunstunterricht

Herausgegeben von David Wiesche1, Nicola Przybylka1, Katharina Brönnecke2, Isolde Malmberg2 und Raphael Zender3

1 Universität Duisburg-Essen

2 Universität Potsdam

3 Zeppelin Universität

Bitte reichen Sie Ihr Abstract bis zum 18. Juli 2024 unter https://www.medienpaed.com/about/submissions ein. Dort finden sie auch Hinweise zur formalen Gestaltung.
Call for Papers als PDF

 

Thema

Der aktuell wieder erstarkende Hype um XR-Medien* wie Augmented Reality (AR) oder Virtual Reality (VR) fügt sich in zunehmende Entgrenzungserscheinungen, die unsere gegenwärtige Medienkultur ausmachen. Lang gegoltene Dichotomien zwischen digital und analog, online und offline, Realität und Virtualität wurden für obsolet erklärt. Das Übergängige und Hybridhafte postdigitaler Lebenswelten ist für die bildungs- und lerntheoretische Forschung sowie für die Praxis in Schule von hoher Relevanz (Weich und Macgilchrist 2023).

AR und VR (inklusive 360°-Aufnahmen), die von den Herausgeber:innen unter dem Begriff der Extended Reality (XR) zusammengefasst werden, provozieren bereits qua ihrer Bezeichnung eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Virtualität und Realität. Sie verschränken virtuelle und nicht-virtuelle Räume, reale und computergenerierte Körper und Objekte miteinander und entziehen sich klarer Zuordnungen ebendieser (Urban, Reich, und van der Veen 2023). Zudem zeichnet XR-Technologien grundsätzlich aus, dass sich der computergenerierte oder in 360° fotografierte (Bild-)Raum sowie die digitalen, augmentierten Einblendungen der Blickrichtung und Kopfposition der Rezipient:innen in sogenannter Echtzeit anpassen. Ihre Handhabung funktioniert damit nicht allein über gängige Interaktionsparadigmen, z. B. das händische Agieren mit einem Controller oder das Drücken von Buttons. Stattdessen beruht die Mensch-Computer-Interaktion wesentlich auf einem impliziten und verräumlichten körperlichen Handeln. Damit stellen sie grundsätzlich neue Bedingungen an unsere Wahrnehmung medienvermittelter Inhalte sowie deren Produktion. Zudem bieten sie – so ein Ausgangspunkt dieses Calls – neue bzw. veränderte Möglichkeiten der taktilen, visuellen und auditiven Affizierung und Artikulation. Ästhetisch-gestalterische, rezeptive sowie körper- und bewegungsbezogene Lehr- und Lernprozesse gilt es aus diesem Grund besonders in den Blick zu nehmen.

Die Fächer Kunst, Musik und Sport, die sich der ästhetisch-gestalterischen, rezeptiven sowie körperlich-leiblichen Auseinandersetzung mit Selbst- und Weltverhältnissen besonders verschrieben haben, liegen daher im Fokus dieses Themenheftes.

Um einen reflektierten und professionellen Umgang mit XR-Medien zu ermöglichen, kommt der Schule eine besondere Bedeutung zu. Heranwachsende sollen befähigt werden, sich mit Wirkmechanismen in den für AR und VR konstitutiven hybriden Räumen auseinanderzusetzen und daraus ableitend Fragen an ihr Selbst- und Weltverhältnis stellen zu können – ein Verhältnis, das von einer Verwobenheit von Sozialität und Technizität, von Analogem und Digitalem geprägt ist. So postuliert auch die Kultusministerkonferenz in ihrer ergänzenden Empfehlung «Lehren und Lernen in der digitalen Welt» von 2021 die Entwicklung zukunftsweisender Kompetenzen im XR-Handlungsfeld. Lehrkräften kommt dabei eine besondere Rolle zu. Sie müssen einerseits auf Wissen und Kompetenzen im Bereich XR, z. B. über Inhalte, Medientechnik, Funktions- und Gestaltungsprinzipien sowie über (digital-kapitalistische) infrastrukturelle Bedingungen, zurückgreifen können, andererseits aus fachwissenschaftlicher Perspektive einen zielführenden didaktischen Rahmen für Bildungsprozesse der Schüler:innen gestalten. Der vorliegende Call for Papers zielt daher darauf ab, Konzeptideen für und empirisch evaluierte Anwendungsoptionen von XR in Schule und Unterricht vorzustellen, welche die Lehrkräfteprofessionalisierung fokussieren.

Beiträge

Wenn Bildung als Veränderung innerhalb der subjektiven Schemata im Wahrnehmen, Erkennen, Denken und Fühlen (Bourdieu 2001) verstanden wird, dann ist das Lernen immer auch von Körperlichkeit geprägt. Es ist auf den Körper bezogen und gleichzeitig über den Körper vermittelt (Klinge 2016). XR-Technologien, die auf das immersive Erleben ausgerichtet sind, ermöglichen körperliche Erfahrungen, die implizite Selbstverständlichkeiten des Körpers (ebd.) reproduzieren oder auch bewusst irritieren können (Schäfer et al. 2023, 2f.). Den ästhetischen Fächern kann dabei eine besondere Bedeutung zugeschrieben werden, da hier körperliche Erfahrungen einerseits die Methode und andererseits das Unterrichtsziel des Lern- und Bildungsprozesses sein können. Dementsprechend werden mit diesem Call for Papers insbesondere Beiträge eingeladen, die sich auf den Sport-, Musik- oder Kunstunterricht beziehen.

Aus sportpädagogischer Perspektive könnten beispielsweise Lern- und Bildungsprozesse, die mit, in oder durch XR-Technologien initiiert werden, in den Blick genommen werden. Diese können auf Persönlichkeitsentwicklung durch Bewegung, Spiel und Sport oder auf eine Hinführung zur Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur abzielen.

XR vermag musikalische Bildungsprozesse beim Rezipieren, Transformieren, Produzieren oder Reproduzieren von Musik zu unterstützen und zu erweitern. Aktuell finden sich etwa Beispiele zu konzertpädagogischen Settings wie 360°-Orchesterkonzerte, Anwendungen zum DJ-ing oder Vj-ing, zum Musizieren auf in VR nachempfundenen Instrumenten (z. B. Band-Instrumentarium) oder auch Phantasie-Instrumenten. Interessant sind insbesondere auch die sich erweiternden Musiziermöglichkeiten für (junge) Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen.

Aus kunstpädagogischer Perspektive scheint das Gestalten, Wahrnehmen und Reflektieren künstlerischer Artefakte in erweiterten bzw. physisch-digitalen (‹phygitalen›) Räumen innerhalb des Spannungsfeldes von Immersion und Interaktion von besonderer Relevanz. Lernende knüpfen dabei an die unterschiedlichen Grade der Hybridisierung und Synthetisierung analoger und digitaler Realitäten ihrer Alltagswelt und im Speziellen jugendkultureller Lebenswelten als Teil des identitätsbildenden Bildhandelns an. Virtuelle Kunst kann dabei selbst als Inspirationsquelle für neue hybride Wirklichkeiten identifiziert werden und darüber hinaus Lernende im Zusammenhang mit neuen Kommunikationstechnologien befähigen, eine kritisch-analytische Haltung einzunehmen.

Neben diesen konkreten fachwissenschaftlichen Perspektiven scheint auch ein interdisziplinärer Blick auf das Themenfeld gewinnbringend, da auch bildungswissenschaftliche, medienpädagogische und medien(kultur)wissenschaftliche Fragestellungen in den Blick genommen und berücksichtigt werden müssen (vgl. Koehler und Mishra 2009; Brinda et al. 2019; Schmid und Petko 2020).

Für die geplante Ausgabe sollen empirische Originalarbeiten (Studien), Überblicksarbeiten (Reviews), theoretische Modellentwicklungen und/oder Analysen sowie systematische Reflexionen von praktischen Umsetzungen aus dem skizzierten Themenfeld zusammengeholt werden. Insbesondere können auch Konzeptionen von Unterrichtsszenarien eingereicht werden, die ein konkretes (fachwissenschaftliches, bildungswissenschaftliches oder medienpädagogisches) Thema fokussieren.

*Unter Medien der Extended Reality (XR) werden in diesem Call Augmented Reality und Virtual Reality (computergenerierte Räume sowie 360°-Fotografien und 360°-Videos) subsumiert, ohne die jeweiligen medientechnischen Spezifika ignorieren zu wollen. Die Herausgeber:innen der Ausgabe legen Wert darauf, dass in den Beiträgen die Charakteristiken der Medientechnologien hinsichtlich ihrer Funktionsweisen und -logiken, ästhetischen und inhaltlichen Ausgestaltung, ihrer Rezeptionspraktiken und der eingesetzten Hardware deutlich werden.

  • Mit Medien der Augmented Reality (AR) werden digitale, audio-visuelle Informationen (Grafiken, Objekte, Animationen, Soundeffekte etc.) in das raumgebundene Wahrnehmungsfeld eingeblendet. Diese Einblendungen bzw. Überlagerungen können unterschiedlich in die realweltliche Umgebung eingefügt und mit ihr ins Verhältnis gesetzt werden (z. B. feste Objektverankerung vs. dynamische Augmentierung). Entscheidend ist, dass sich die digitalen Informationen der Ausrichtung und Positionierung des digitalen Endgeräts im physischen Umgebungsraum in sogenannter Echtzeit anpassen.
  • Unter Virtual Reality (VR) verstehen die Herausgeber:innen computergenerierte 360°-Räume, in denen mithilfe einer das Wahrnehmungsfeld möglichst abschirmenden VR-Technologie (z.B. VR-Headset) in einer dreidimensionalen Umgebung interagiert wird.
  • Über ein VR-Headset rezipierte 360°-Videos und 360°-Fotografien unterscheiden sich von computergenerierten Räumen dahingehend, dass eine direkte Interaktion mit oder Manipulation der virtuellen Umgebung nicht möglich ist, da es sich um bereits gefilmtes/fotografiertes Material handelt. Die Position des:der Rezipient:in ist zudem durch den Standort der Kamera festgeschrieben. Das Rundbild kann dementsprechend nur durch Drehen des Kopfes exploriert werden.
Einreichung und Ablauf

Dieser Call lädt zu Beiträgen in einem zweistufigen Begutachtungsverfahren ein:

  • Abstracts möglicher Beiträge im Umfang bis max. 200 Wörtern (exkl. Literaturangaben) mit Angabe von fünf bis sechs Keywords. Die Abstracts durchlaufen ein editorial-peer-review Verfahren.
    Einreichung bis zum 18. Juli 2024 via: https://www.medienpaed.com/about/submissions.
  • Die Herausgebenden benachrichtigen über die Annahme des Abstracts bis spätestens zum 31. August 2024. Aus der Annahme der Abstracts geht keine zwingende Annahme der Publikation hervor.
  • Die Volltexte angenommener Abstracts sind bis zum 31. Dezember 2024 einzureichen.
  • Im Anschluss werden die Volltexte im double-blind peer-review Verfahren unter Einbezug der Autor:innen bis ca. 15. Februar 2025 begutachtet und anschliessend überarbeitet.

Die Veröffentlichung des Themenheftes ist für Frühjahr/Sommer 2025 geplant.

Anforderungen an Volltexte
  • Bei den eingereichten Artikeln in Deutsch muss es sich um Originalbeiträge beziehungsweise Erstveröffentlichungen handeln.
  • Wissenschaftliche Beiträge (Volltexte) sollten ungefähr 40.000 Zeichen (mit Leerzeichen, ohne Abstract und Literaturverzeichnis) umfassen.
  • Ein Abstract von 150-200 Wörtern fasst die zentralen Aussagen und Ergebnisse kurz zusammen.
  • Sowohl Titel wie Abstract müssen in deutscher und englischer Sprache vorliegen und zusammen mit dem Artikel eingereicht werden.
  • Es gelten die Richtlinien für Autor:innen:
    https://www.medienpaed.com/about/submissions#authorGuidelines.
  • Die eingereichten Beiträge werden im double-blind peer-review Verfahren begutachtet.
  • Im Rahmen der wissenschaftlichen Transparenz ermutigen wir alle Forschenden, ihre Forschungsdaten (z. B. Software, Datensätze, verwendete Fragebögen) mit der Einreichung zur Verfügung zu stellen.

Einreichung der Abstracts und Volltexte via: https://www.medienpaed.com/about/submissions.

Herausgebende
  • Prof. Dr. David Wiesche, Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Bildungswissenschaften, Digitales Lehren und Lernen im Schulkontext
  • Nicola Przybylka, Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Bildungswissenschaften, Digitales Lehren und Lernen im Schulkontext
  • Dr. des. Katharina Brönnecke, Universität Potsdam, Humanwissenschaftliche Fakultät, Kunstpädagogik und Kunstdidaktik
  • Prof. Dr. Isolde Malmberg, Universität Potsdam, Department Kunst und Musik, Musikpädagogik und -didaktik
  • Prof. Dr. Raphael Zender, Zeppelin Universität, Systeme der virtuellen Realität
Literatur

Bourdieu, Pierre. 2001. Meditationen: Zur Kritik der scholastischen Vernunft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Brinda, Torsten, Niels Brüggen, Ira Diethelm, Thomas Knaus, Sven Kommer, Christine Kopf, Rainer Leschke, Petra Missomelius, Friederike Tilemann, und Andreas Weich. 2019. «Frankfurt-Dreieck Zur Bildung in Der Digital Vernetzten Welt: Ein interdisziplinäres Modell». merz | medien + erziehung 63 (4): 69-75. https://doi.org/10.21240/merz/2019.4.15.

Klinge, Antje. 2016. «Zwischen Bewahrung und Erneuerung. Zum Begriff des Körperwissens aus sportwissenschaftlicher Sicht». PARAGRANA. Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie 25 (1): 346–60. https://doi.org/10.1515/para-2016-0018.

Koehler, Matthew, und Punya Mishra. 2009. «What is technological pedagogical content knowledge (TPACK)?». Contemporary issues in technology and teacher education 9 (1): 60–70. https://citejournal.org/vol9/iss1/general/article1.cfm.

Schäfer, Caterina, Dorina Rohse, Micha Gittinger, und David Wiesche. 2023. «Virtual Reality in der Schule. Bedenken und Potenziale aus Sicht der Akteur:innen in interdisziplinären Ratingkonferenzen». MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 51 (AR/VR - Part 2): 1–24. https://doi.org/10.21240/mpaed/51/2023.01.10.X.

Schmid, Mirjam, und Dominik Petko. 2020. «Technological Pedagogical Content Knowledge› als Leitmodell medienpädagogischer Kompetenz». MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung (Jahrbuch Medienpädagogik 17): 121-40. https://doi.org/10.21240/mpaed/jb17/2020.04.28.X.

Urban, Annette, Julia Reich, und Manuel van der Veen. 2023. «passthrough. Von Portalen, Durchblicken und Übergängen zwischen den (virtuellen) Welten». Kunstforum International 290: 86–95 https://www.kunstforum.de/artikel/passthrough/.

Weich, Andreas, und Felicitas Macgilchrist, Hrsg. 2023. Postdigital Participation in Education. Palgrave. https://doi.org/10.1007/978-3-031-38052-5.