Entwicklung des Kinderfernsehens in der Perspektive von Super RTL

Zitationsvorschlag

Schmit, Claude. 2008. „Entwicklung Des Kinderfernsehens in Der Perspektive Von Super RTL“. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 13 (Kinderfernsehen): 1-1. https://doi.org/10.21240/mpaed/13/2008.07.15.X.

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https://doi.org/10.21240/mpaed/13/2008.07.15.X

Entwicklung des Kinderfernsehens in der Perspektive von Super RTL

Unter Medienpädagogen besteht Einigkeit darüber, dass Medien fester Bestandteil der modernen, kindlichen Lebenswelt sind. Die Bedeutung von Medien, ihre quantitative und qualitative Relevanz für das Alltagsleben von Kindern sowie deren Sozialisation ist unbestritten. Medien sind Gegenstand der Lehrpläne aller Schultypen und das Schlagwort «Medienkompetenz» ist nach wie vor in aller Munde. Diskutiert wird, wie Kinder geschult werden müssen, um optimal von dem neuen, vielfältigen Angebot profitieren zu können und für die Anforderungen der neuen, technisierten Arbeitswelt gerüstet zu sein.

Dennoch sind Eltern und Pädagogen nach wie vor skeptisch, wenn es um die Mediennutzung von Kindern geht. Tatsache ist, dass viele Eltern (und Journalisten!) nur wenig über den tatsächlichen Mediengebrauch der Kinder wissen. Kurzum: Es herrscht teilweise eine erhebliche Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Forschung und Lehre auf der einen Seite und dem Wissen von Eltern, Lehrern und Erziehern auf der anderen Seite. Über die Presse finden viel zu selten differenzierte, wissenschaftlich fundierte Urteile über Medienwirkung und -konsum Verbreitung, oftmals beschwören reisserische Thesen die Verdummung unserer Kinder herauf.

Derzeit entstehen ganz neue Medienformen. Schlagworte wie Konvergenz, user generated content, Digitalisierung des Fernsehens und interaktive Web-2.0-Anwendungen wie Blogs, Podcasts und Newsfeeds machen die Runde. Insbesondere das Internet bietet dem Einzelnen die Möglichkeit, den Rezipienten-Status zu überwinden und aktiv an der Mediengestaltung teilzunehmen. Virtuelle Communities wie MySpace verzeichnen stetig wachsende Mitgliederzahlen, Videoplattformen wie youtube werben mit dem Slogan «broadcast yourself». Hier entsteht eine völlig neue Mediennutzungskultur, die die bestehende Fernsehlandschaft radikal umwälzen kann. Doch inwieweit sind diese neuen Medien bereits Bestandteil des Medienalltags von Kindern? Wie reagieren wir als Fernsehsender auf diese Entwicklungen? Und welche Implikationen ergeben sich daraus für die Medienpädagogik?

Super RTL ist seit mittlerweile neun Jahren Marktführer in der Zielgruppe Kinder von 3 bis 13 Jahren. Auf diesem soliden TV-Fundament haben wir in den letzten Jahren neue Felder erschlossen, auf denen wir Kindern Angebote machen. Denn für den langfristigen Erfolg eines Senders in einem engen Marktsegment ist entscheidend, sich eindeutig zu positionieren, von seinen Mitbewerbern unterscheidbar zu sein.

Super RTL will den Kindern nicht nur Fernsehprogramm zeigen, sondern ihnen ein mediales Zuhause bieten, in dem sie sich wohl fühlen, mit dem sie sich identifizieren können – eine Welt, in der sie ernst genommen und unterhalten werden. Das bedeutet auch, dass wir sie auf den medialen Plattformen abholen, auf denen sie sich bewegen. Dabei gilt es, die wirtschaftliche Komponente nicht aus den Augen zu verlieren. Wir müssen neue Trends rechtzeitig erkennen, ohne unkalkulierbare Risiken einzugehen.

Ein Medium, an dem kein Fernsehsender vorbei kommt, ist das Internet. Mit TOGGO.de betreibt Super RTL seit 2001 die erfolgreichste Website für Kinder, die monatlich über 100 Millionen Page Impressions erzielt. Über das Internet vertiefen und begleiten wir TV-Inhalte, geben wir Kindern die Möglichkeit zur aktiven Teilnahme. Im Rahmen der Kampagne «Mein Lieblingsbuch – Deine Stimme zählt» haben 20.000 Kinder per E-Mail abgestimmt, beim letzten «TOGGO Serienduell» stimmten 112.000 Kinder per Internet für ihre Lieblingsserie und beim «TOGGO Adventskalender» wurden in einem einzigen Monat 270.000 Teilnehmer gezählt.

Das Internet ermöglicht Kindern zudem den Austausch untereinander. Auf unserer Website hat sich eine aktive Community mit über 200.000 Kindern etabliert, die per E-Mail und Chat miteinander kommunizieren. Damit Kinder mit weniger Erfahrung nicht im Cyberspace verloren gehen, stehen ihnen mit den „«Treff-Helfern» speziell geschulte Gleichaltrige zur Seite; alle Chats werden von Erwachsenen moderiert und überwacht.

Mit unseren edukativen, kostenpflichtigen Internetclubs «TOGGOLINO Club» und «TOGGO CleverClub» belegen wir, dass Paid Content im Internet funktioniert. Auf den werbefreien und durch Passwort geschützten Internetseiten finden Kinder Spiele zu den unterschiedlichsten Bereichen – von logischem Denken über Sprachübungen bis Mathematik. Aus dem Fernsehen bekannte und beliebte Charaktere begleiten die Kinder beim Lernen und sorgen für Spass und Spannung. Der TOGGOLINO CLUB feiert in diesem Jahr seinen vierten Geburtstag, der TOGGO-CleverClub ist seit März 2005 online. Bisher konnten die Clubs über 120.000 Mitglieder gewinnen (Stand: März 2007), die für ein Jahres-Abonnement 69 Euro bezahlen.

Mit «toni.de» betreibt Super RTL das grösste Download-Portal für Kinder-Hörbücher in Deutschland. Im Juli 2006 wurden die Portalseiten ins Netz gestellt und umfassen inzwischen mehr als 1300 Titel. «toni.de» ermöglicht unseren Kunden online den Zugriff auf ein reichhaltiges Angebot erstklassiger Hörbücher. Nach dem Download auf die Festplatte ist es möglich, die Titel auf CD zu brennen oder auf portable Abspielgeräte zu überspielen. Um sie herunterladen zu können, ist keinerlei Mitgliedschaft und auch kein Abonnement nötig. Bezahlt wird nur für den gewünschten Download.

Mit der «TOGGOLINO Kinderzeit» bieten wir seit über einem Jahr ein Radioprogramm für Vorschulkinder. Die bei Kindern beliebten TV-Figuren betreten dabei Neuland, denn die Übertragung von Inhalten aus dem Fernsehen ins Radio ist in Deutschland bislang einzigartig. Mit dem Medium Radio haben Kinder eine weitere Möglichkeit, die Fernsehgeschichten phantasievoll in ihren Alltag zu integrieren.

Ganz neu in unserem Angebot ist ein Super RTL-Mobilfunktarif, der unter dem Label «TOGGO Mobile» firmiert. Gegen einen monatlichen Pauschalbetrag können Kinder neben den klassischen Telefon-Dienstleistungen auch Mobile-Lernspiele mit aus dem Fernsehen bekannten Inhalten per Handy nutzen. Die Eltern als Vertragspartner behalten die volle Kostenkontrolle durch die Festlegung eines monatlichen Höchstbetrages und können mit dem so genannten Kids-Locator jederzeit den Aufenthaltsort ihrer Kinder ermitteln.

Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg all dieser Angebote sind neben der Bekanntheit aus dem Fernsehen die crossmedialen Marketingmöglichkeiten, die uns als Sender zur Verfügung stehen. Dabei bildet die TV-Plattform nach wie vor die Basis für eine erfolgreiche Vermarktung. Insbesondere jüngere Kinder nutzen in erster Linie immer noch die klassischen Medien. Daher kann nur das Angebot erfolgreich sein, das eng mit dem Fernsehen verzahnt ist.

In welche Richtung entwickelt sich die Medienlandschaft? Ich bin davon überzeugt, dass zukünftig nur derjenige Erfolg hat, der sich nicht ausschliesslich als Fernsehsender positioniert, sondern als Medienanbieter auf verschiedensten Plattformen auftritt. Beispielhaft in diesem Zusammenhang ist die Kooperation der BBC mit Youtube oder der Einstieg von Google in die TV-Werbung – klassische Grenzlinien verwischen sich zunehmend.

Als Kindersender bewegen wir uns derzeit noch in einem geschützten Raum. Die meisten Kinder nutzen die Möglichkeiten der neuen Medien noch nicht oder nur sehr eingeschränkt. Das Fernsehen ist immer noch das meistgenutzte Medium und die vermehrte Internetnutzung geht nur selten mit der Erstellung eigener Inhalte einher. Doch wir dürfen uns keinesfalls von neuen technologischen Entwicklungen abkoppeln. Wir versuchen bereits jetzt, uns im Rahmen unserer Diversifikationsstrategie unabhängiger vom klassischen Fernsehgeschäft zu machen und erzielen mittlerweile mehr als 25 Prozent aller Einnahmen im Nicht-TV-Bereich.

Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen sehr genau, laden regelmässig Schulklassen in den Sender ein, um den direkten Kontakt zu unserer Zielgruppe zu halten. Daneben geben wir regelmässig Studien in Auftrag, um wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse zur Mediennutzung von Kindern zu gewinnen. So wissen wir genau, wann und wie Kinder welche Medien nutzen. Sehr interessant ist z.B. die Verbreitung von PC- und Konsolenspielen: In 77 Prozent der Haushalte mit Kindern steht eine Konsole, die Online-Fähigkeit moderner Geräte macht diese zu einem Bindeglied zwischen TV und Internet.

Für die Medienpädagogik bieten die neuen Medien die Möglichkeit, mehr Einfluss zu gewinnen. Meiner Meinung nach sollte sie über die theoretische Begleitung des Mediengeschehens hinaus an Bedeutung für den konkreten (Medien-)Alltag von Kindern und das Erziehungsverhalten ihrer Eltern gewinnen. Die neuen Medienformen bieten vielfältige Chancen für die praktische Anleitung von Eltern, Pädagogen und Multiplikatoren. Diesen bescheinigt die KIM-Studie 2006 ein «ambivalentes Verhältnis zu den Möglichkeiten der digitalen Welt». Vielleicht lässt sich mit dem Aufkommen neuer Medienangebote die Lücke schliessen, die teilweise zwischen dem Wissen von Eltern und Pädagogen und den Erkenntnissen der Medienpädagogik klafft. Auch wir als Anbieter von Medieninhalten sind an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit Experten und Eltern interessiert. Ich würde mir eine Allianz aller Beteiligten wünschen, die unsere Kinder fit für die mediale Zukunft macht.