Forschungssynthesen in der Mediendidaktik. Ansätze und Herausforderungen

Herausgegeben von Svenja Bedenlier, Katja Buntins, Annika Wilmers und Michael Kerres

Bitte reichen Sie Ihr Abstract bis 30. Juni 2022 unter https://www.medienpaed.com/about/submissions ein. Dort finden sie auch Hinweise zur formalen Gestaltung.
Call for Papers als PDF

Thema

Systematische Übersichtsarbeiten und Forschungssynthesen gewinnen in der Mediendidaktik – und vor allem auch in der englischsprachigen Forschung zu Educational Technology – zunehmend an Bedeutung. Sie stellen einen Ansatz dar, bestehende Forschung zusammenzufassen, Ergebnisse zu aggregieren und über Einzelstudien hinweg zusammenfassende Aussagen treffen zu können. Mittels unterschiedlich gearteter Reviews ist es möglich, Forschungsfelder zu umreissen, Forschungslücken aufzudecken und den Stand der Forschung zu einem bestimmten Zeitpunkt festzuhalten (z. B. Bond et al. 2021).

Auch in von Förderlinien werden Forschungssynthesen immer öfter genannt (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2016; Wilmers et al. 2021; Wilmers et al. 2020). Hierbei ist der Gedanke leitend, vorhandenes Wissen zu verdichten, evidenzbasierte Entscheidungen zu unterstützen und Wissen leichter in die Bildungspraxis und -politik zu transferieren. Forschungssynthesen im Verständnis von Systematic Reviews stammen in ihrer Idee und Methodik ursprünglich aus der medizinischen und pharmakologischen Forschung der 1970er-Jahre und wurden in den 1990er-Jahren für den Bereich der Public Policy aufgegriffen (Oakley et al. 2005). Aus dieser disziplinären Verortung heraus ergeben sich Fragen nach der Eignung und Übertragbarkeit dieser Methode auf den Bereich der Medienpädagogik und erziehungswissenschaftlicher Forschung insgesamt. Kontextgebundenheit und lokale Verwobenheit (Berliner 2002) stellen vor diesem Hintergrund besondere Anforderungen und auch Grenzen für Forschungssynthesen dar.

Gleichzeitig hat die zunehmende Verwendung von Forschungssynthesen in den Sozialwissenschaften bereits zu einer vertiefenden methodischen Beschäftigung geführt (Ades et al. 2005; Afshari et al. 2017; Bohlin 2012; Borrego et al. 2014; Chen und Tseng 2011; Esteves et al. 2017; Petticrew 2003). Ausserdem kann beobachtet werden, dass neben quantitativen Verfahren vermehrt qualitative und andere, komplexere Ansätze gewählt werden (Grant und Booth 2009).

Dies trifft auch auf Forschungssynthesen zu Lernen mit digitalen Medien zu, und es gibt eine Reihe von Gründen, die sich für diese Entwicklung vermuten lassen: So können erstens sogenannte «Goldstandards», wie in der Medizin, nicht ohne weiteres auf pädagogische und didaktische Fragestellungen übertragen werden. Die Effekte und Wirkungen bildungsbezogener Massnahmen entstehen in komplexen Interaktionen – somit können keine einfachen Wertungen vorgenommen werden (Hammersley 2020). Die Komplexität lässt sich nicht mit allen relevanten Parametern innerhalb einer Ausgangsstudie abbilden, sodass oft weitergehende Formen einer Forschungssynthese anzuwenden sind (Biondi-Zoccai 2016). Schliesslich sind die theoretischen Konstrukte in der Erziehungswissenschaft oftmals unscharf. Sie lassen sich weder analytisch trennscharf und erschöpfend durch eine Suche finden, noch liegen ihnen vergleichbare Messinstrumente bzw. Operationalisierungen zugrunde (Buntins et al. 2021; Henrie et al. 2015). Auch werden vergleichbare Konstrukte in verschiedenen Fachdisziplinen und Weltregionen anders benannt (Berliner 2002; Buntins et al. 2018; Mayrberger und Kumar 2014). Für diese Probleme und weitere feldspezifische Besonderheiten braucht es Lösungen, um das Potenzial von Forschungssynthesen in erziehungswissenschaftlichen – und hier vor allem auch medienpädagogischen und mediendidaktischen – Kontexten realisieren zu können.

Beiträge

Das Themenheft zielt auf Beiträge ab, die Forschungssynthesen zu medienpädagogischen/mediendidaktischen Fragestellungen vorstellen und unter methodischen/methodologischen Perspektiven kritisch hinterfragen. Gewünscht sind Beiträge, die Ergebnisse von Forschungssynthesen mit quantitativen oder qualitativen Verfahren berichten und dabei die Möglichkeiten und Grenzen der Ansätze und ihre Herausforderungen herausarbeiten, oder allgemeinere Beiträge, die sich grundsätzlicher (unabhängig von einem spezifischen Review) mit Forschungssynthesen mit einem Fokus auf medienpädagogische/mediendidaktische Fragestellungen beschäftigen. Mögliche Fragestellungen wären etwa:

  • Wie sind Forschungssynthesen anzulegen, um Forschung (international) angemessen zu aggregieren?
  • Inwieweit unterscheiden sich unterschiedliche Ansätze von Forschungssynthesen und wie sind sie zu bewerten mit Blick auf medienpädagogisch/ -didaktische Forschungsfragen?
  • Inwieweit sind (welche?) Synthesen geeignete Ansätze in einem stark kontextabhängigen Feld, wie dem Bildungsbereich (mit digitalen Medien)?
  • Wie können Forschungssynthesen beitragen, um einen researcher practitioner gap zu verringern?
  • Wie können Reviews zur Theoriebildung beitragen?
  • Wie können unterschiedliche nationale und internationale Befunde identifiziert und berücksichtigen werden? Lassen sich unterschiedliche Forschungstraditionen und Begrifflichkeiten aufzeigen?

Wir laden Wissenschaftler:innen, Bil­dungs­prak­tiker:innen und Medienpädagog:innen ein, Abstracts von bis zu 800 Wörtern bis 30 Juni 2022 in elektronischer Form einzureichen: https://www.medienpaed.com/about/submissions.

Die Herausgebenden benachrichtigen über die vorläufige Annahme des Beitrags bis 15 Juli 2022. Die Volltexte sind bis 31 Okt 2022 einzureichen und werden dann im double-blind peer-review, mit Beteiligung der Autor:innen, begutachtet. Die Beiträge sind nach den Hinweisen zur Manuskripteingabe (http://www.medienpaed.com/about/submissions#authorGuidelines) zu verfassen.

Bei den eingereichten Artikeln in Deutsch oder Englisch muss es sich um Originalbeiträge beziehungsweise Erstveröffentlichungen handeln. Wissenschaftliche Beiträge sollten 40.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen, ohne Abstract und Literaturverzeichnis) umfassen. Ein Abstract von 150–200 Wörtern fasst die zentralen Aussagen und Ergebnisse kurz zusammen. Sowohl Titel wie Abstract des Beitrags müssen in deutscher und englischer Sprache vorliegen und zusammen mit dem Artikel eingereicht werden.

Herausgebende
  • Svenja Bedenlier (University of Erlangen-Nuremberg)
  • Katja Buntins (University of Duisburg-Essen)
  • Annika Wilmers (DIPF | Leibniz Institute for Research and Information in Education)
  • Michael Kerres (University of Duisburg-Essen)
Literatur

Ades, A. E., G. Lu, und J. P. T. Higgins. 2005. «The Interpretation of Random-Effects Meta-Analysis in Decision Models». Medical decision making: an international journal of the Society for Medical Decision Making 25 (6): 646–54. https://doi.org/10.1177/0272989X05282643.

Afshari, A., J. Wetterslev, und A. F. Smith. 2017. «Can Systematic Reviews with Sparse Data Be Trusted?». Anaesthesia 72 (1): 12–16. https://doi.org/10.1111/anae.13730.

Berliner, David C. 2002. «Comment: Educational Research:The Hardest Science of All». Educational Researcher 31 (8): 18–20. https://doi.org/10.3102/0013189X031008018.

Biondi-Zoccai, Giuseppe, Hrsg. 2016. Umbrella Reviews: Evidence Synthesis with Overviews of Reviews and Meta-Epidemiologic Studies. 1st ed. 2016. Cham: Springer International Publishing. http://gbv.eblib.com/patron/FullRecord.aspx?p=4390009. https://doi.org/10.1007/978-3-319-25655-9.

Bohlin, Ingemar. 2012. «Formalizing Syntheses of Medical Knowledge: The Rise of Meta-Analysis and Systematic Reviews». Perspectives on Science 20 (3): 273–309. https://doi.org/10.1162/POSC_a_00075.

Bond, Melissa, Svenja Bedenlier, Victoria I. Marín, und Marion Händel. 2021. «Emergency Remote Teaching in Higher Education: Mapping the First Global Online Semester». International journal of educational technology in higher education 18 (1): 50. https://doi.org/10.1186/s41239-021-00282-x.

Borrego, Maura, Margaret J. Foster, und Jeffrey E. Froyd. 2014. «Systematic Literature Reviews in Engineering Education and Other Developing Interdisciplinary Fields». J. Eng. Educ. 103 (1): 45–76. https://doi.org/10.1002/jee.20038.

Bundesministerium für Bildung und Forschung. 2016. «Bekanntmachung. Richtlinie zur Förderung von Forschung zur digitalen Hochschulbildung – Wirksamkeit und Wirkungen aktueller Ansätze und Formate – Trends und neue Paradigmen in Didaktik und Technik. Bundesanzeiger vom 26.02.2016.». https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/bekanntmachungen/de/2016/02/1152_bekanntmachung.

Buntins, Katja, Svenja Bedenlier, Melissa Bond, Michael Kerres, und Olaf Zawacki-Richter. 2018. «Mediendidaktische Forschung aus Deutschland im Kontext der internationalen Diskussion. Eine Auswertung englischsprachiger Publikationsorgane von 2008 bis 2017». In Digitalisierung und Hochschulentwicklung: Proceedings zur 26. Tagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft e.V. Bd. 74, herausgegeben von Barbara Getto, Patrick Hintze, und Michael Kerres, 246–63. Medien in der Wissenschaft 74. Münster, New York: Waxmann.

Buntins, Katja, Michael Kerres, und Anna Heinemann. 2021. «A scoping review of research instruments for measuring student engagement: In need for convergence». International Journal of Educational Research Open 2:100099. https://doi.org/10.1016/j.ijedro.2021.100099.

Chen, Chien Chin, und You-De Tseng. 2011. «Quality evaluation of product reviews using an information quality framework». Decision Support Systems 50 (4): 755–68. https://doi.org/10.1016/j.dss.2010.08.023.

Esteves, Sandro C., Ahmad Majzoub, und Ashok Agarwal. 2017. «The Problem of Mixing ‘Apples and Oranges’ in Meta-Analytic Studies». Translational andrology and urology 6 (Suppl 4): 412-413. https://doi.org/10.21037/tau.2017.03.23.

Grant, Maria J., und Andrew Booth. 2009. «A Typology of Reviews: An Analysis of 14 Review Types and Associated Methodologies». Health information and libraries journal 26 (2): 91–108. https://doi.org/10.1111/j.1471-1842.2009.00848.x.

Hammersley, Martyn. 2020. «Reflections on the Methodological Approach of Systematic Reviews». In Systematic Reviews in Educational Research: Methodology, Perspectives and Application, herausgegeben von Olaf Zawacki-Richter, Michael Kerres, Svenja Bedenlier, Melissa Bond, und Katja Buntins, 23–39. Wiesbaden: Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27602-7_2.

Henrie, Curtis R., Lisa R. Halverson, und Charles R. Graham. 2015. «Measuring student engagement in technology-mediated learning: A review». Computers & Education 90: 36–53. https://doi.org/10.1016/j.compedu.2015.09.005.

Mayrberger, K., und S. Kumar. 2014. «Mediendidaktik und Educational Technology. Zwei Perspektiven auf die Gestaltung von Lernumgebungen mit digitalen Medien». In Lernräume gestalten - Bildungskontexte vielfältig denken, herausgegeben von Klaus Rummler, 44–55. Münster: Waxmann.

Oakley, Ann, David Gough, Sandy Oliver, und James Thomas. 2005. «The politics of evidence and methodology: lessons from the EPPI-Centre». Evidence & Policy: A Journal of Research, Debate and Practice 1 (1): 5–32. https://doi.org/10.1332/1744264052703168.

Petticrew, Mark. 2003. «Why Certain Systematic Reviews Reach Uncertain Conclusions». BMJ (Clinical research ed.) 326 (7392): 756–58. https://doi.org/10.1136/bmj.326.7392.756.

Wilmers, Annika, Michaela Achenbach, und Carolin Keller, Hrsg. 2021. Bildung im digitalen Wandel: Organisationsentwicklung in Bildungseinrichtungen. Münster: Waxmann. https://directory.doabooks.org/handle/20.500.12854/72870.

Wilmers, Annika, Carolin Keller, Marc Rittberger, und Carolin Anda. 2020. Bildung im digitalen Wandel. Die Bedeutung für das pädagogische Personal und für die Aus- und Fortbildung. Münster: Waxmann. https://directory.doabooks.org/handle/20.500.12854/42108.