Kern des Begriffs der Medien ist, ihre Leistung zu vermitteln. Übertragen und weitergegeben werden Informationen, Daten, Präsentationen, Ästhetiken, Töne, Musik; somit vermitteln Medien kulturelle Inhalte. Generell gestalten sie Austauschformen und kulturelle Praxis. Im Zeitalter der Digitalisierung schwinden zeitliche und räumliche Hürden, d.h. unser Raum-Zeitschema wird, wie die Zeitorganisation selbst, reformuliert. Es verändern sich sachlich, räumlich und sozial Austauschformen und -inhalte, Austausch erscheint als sozial gerichtet und zugleich als intensiviert. Die Verringerung der Relevanz von Space und Time oder besser: die Überbrückung solcher Gaps wird heute medial geformt. Und nebenbei wird das kulturelle framing reformuliert. Was ist, was war gängige Praxis?
Einleitend deuten Ruf, Rupert-Krause und Grabbe in ihrer Einführung zur Medienkulturwissenschaft aber einen weiteren Bezug an, denn Medienwerkzeuge begründen fortgesetzt auch veränderte Mediennutzungsformen und Kulturtechniken. Die Autoren knüpfen dabei an die Einführung in die Medienkulturwissenschaft von Friedrich A. Kittler an. Kittler sagt, die Rolle der Bedeutung von Medien für Gesellschaft und Kultur würde zwar gesehen, aber es bliebe undeutlich, «was mit den Feldern der Medien oder Medienwissenschaft eigentlich erörtert» wird (4). Der Kernbegriff bei Kittler ist das Aufschreibsystem, damit werden auch das «Netzwerk von Techniken und Institutionen bezeichnet, die einer gegebenen Kultur die Adressierung, Speicherung und Verarbeitung relevanter Daten erlauben» (Kittler 1995, 519).
Das Buch hat sechs Kapitel:
- Einleitung (1 bis 16),
- Zur Entwicklung der Medienkulturwissenschaft (17 bis 32),
- Mediengeschichte (33 bis 78),
- Medien und … (79 bis 128),
- Medientheorie – Medienästhetik (129 bis 158) und
- den Abschluss bilden ein Schlusswort und die Bibliographie.
Die Autoren wollen ihren Leser:innen «ein Gespür für das, wovon Kulturwissenschaft eigentlich handelt« (1) vermitteln. Denn mit dem spezifischen Blick gehen naturgemäss Entscheidungen einher, «Dinge auszuwählen, die das Eine hervorheben und das Andere abschwächen, wiederum Anderes auch bei Seite lassen, die also selektieren» (ebd., 1). Einleitend ist von Medienwerkzeugen, von Medien und Kulturtechniken sowie von Medien selbst die Rede, in den Begriff der Medien wird (ebd., 4–6) ebenfalls eingeführt. Für Studierende ist die Zusammenfassung zur Wechselseitigkeit von Medientechnik versus Medienproduktion und Medienrezeption (ebd., 7) nützlich. Denn es macht Sinn, Medienproduktion und Medienreproduktion systematisch aufeinander zu beziehen. Zusammenfassungen und Lernziele werden durch Rasterung hervorgehoben.
Was meint Kulturwissenschaft? Sie «schöpft ihre Gegenstände aus einem erweiterten Text- und Kulturverständnis», sie richtet ihren Blick auf «die Medien Film und Fernsehen, Radio und Internet, die sie als Ausdrücke von Hoch- wie Populärkultur begreift». Die Kulturwissenschaft richtet ihr Interesse auf spezifische Auffälligkeiten, «die sie analysiert und interpretiert» (ebd., 22). Zu einem Lehrbuch gehört, wie für Einführungen zu Medien üblich, ein Abriss der Mediengeschichte, das heisst der Blick richtet sich auf die Technologien der Medienproduktion, also auf die des Schreibens, der Produktion von Bildern, der Geschichte der Telegrafie und Telekommunikation usw. Dies ist Gegenstand des dritten Kapitels, in dem auch eine Geschichte zur Entwicklung der neuen Medien aufgenommen ist. Thema sind unter anderem Netzwerke um mobile Medien. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Lebenszyklen von Medien eingegangen, es wird daran erinnert, das neue Medien zunächst stets ältere Medien imitieren (ebd., 70). Mit der Entfaltung der neuen Medien wurde zunächst etwa bei Lernsoftware das alte Buch einfach kopiert und es dauerte, bis die Möglichkeiten, die die Digitalisierung bot, auch genutzt wurden.
In einem weiteren Schritt der Spezifikation «wird dem emergierenden Medium der Status der Neuheit zugewiesen» (ebd., 71). Und «wie verändern sich alte Medien, wenn sie in Kontakt mit neuen treten?», ist eine Frage, die im Folgenden ausgeführt wird. Interessant ist hierbei auch, wie sich ältere Medien im Kontakt mit neuen Medien verändern (ebd., 71).
Im Kapitel vier steht das Verhältnis der Medien zueinander im Fokus. Thematisiert werden mediale Konstellationen und intermediale Beziehungen. Behandelt werden «Medien und Medien» (ebd., 89), das heisst, es geht um das Wechselspiel analog und digital, um Film und Comic sowie Film und Computer. Weitere Aspekte sind Literatur, Gegenwartslyrik, Fotografie versus Film und Videospiel, Film und Computer. Dem Aspekt Medien und Design wird zum Abschluss des vierten Kapitels nachgegangen. Zusammenfassend wird ausgeführt: «Allgemeiner betrachtet bietet die Forschung zur Intermedialität und Remediatisierung die Grundlage für die Erkenntnis, wie neue Medien überhaupt entstehen können und welche Rolle die übrigen Medien innerhalb des Medienökosystems diesbezüglich spielen» (ebd., 122).
Im Kapitel fünf, überschrieben mit «Medientheorie – Medienästhetik» wird die Interdependenz von Medien und Wissenschaft behandelt. Unterschieden werden auf Einzelmedien bezogene Ansätze. Hinzu kommen spezifische Medien in kulturellen und gesellschaftlichen Systemen. Der Überschneidungen von «Einzelmedien und Mediensystemen» verdankt die Medienforschung spezifische Forschungsfragen. Immerhin wurden in der Auseinandersetzung mit Medien diverse Forschungsperspektiven entwickelt. Dabei kennzeichnen diese «Perspektiven» variantenreiche Zugänge zum Gegenstand der Medienforschung. «Zu denken wäre an dieser Stelle an die negative Kennzeichnung von Medien als 'Phantomen' (Günther Anders), von den positiven Aspekten eines 'Kunstwerks im Zeitalter der technischen Reproduktion' (Walter Benjamin) oder der Diagnose eines 'elektronischen und instantanen Musters der Kultur', verkörpert durch den Siegeszug der TV-Apparate» (ebd., 131), hier wird auf McLuhan verweisen. Eine Bündelung erfolgt im Kontext der einzelnen medialen Produktivität von syntaktischen, semantischen und pragmatischen Medienbedingungen. «Demnach indizieren beispielsweise Bilder generell, neben ihrer visuellen Funktionalität, ebenfalls eine spezifisch ästhetische Bildkompetenz als bildverstehen, fotografische Medien verweisen ihrerseits auf eine kausale Beziehung und eigenständige Physikalität von Motiv und Darstellung und interaktive Medientechnologien generieren verkörperte und mentale Handlungsfelder im Kontext Kybernetischer Feedbackschleifen und geregelter Funktionsprozeduren» (ebd., 131). Bilder spielen in der Kommunikation eine herausgehobene Rolle, da in der Konkurrenz um Aufmerksamkeit visuelle Informationen rascher wahrgenommen werden. Sie müssten allerdings auch kontextualisiert werden (Tully 2013, 206f.).
Die Backbones der Medialisierung sind die folgenden fünf: das Aufkommen der Massenpresse, die Ausbreitung des Hörfunks und der Übergang vom Stumm- zum Tonfilm, die Ausbreitung des Fernsehens, die Kommerzialisierung des Rundfunks und die Digitalisierung sowie die Ausbreitung des Internets (ebd., 152). Die jeweilige Eingrenzung gelingt über die folgenden Schritte: Extension, Substitution, Amalgamation, Akkumulation (ebd., 152 f.).
Anliegen des Buches ist die Formulierung einer Medienkulturwissenschaft. Es geht um die Implikationen von Kultur und Technologie und um Theorien zur Ästhetik. Es geht also nicht um subjektives Empfinden – Medien werden nicht nur immer breiter in unserem Lebensalltag wahrnehmbar, «die Frage nach Medialität, Technik und Kultur sowie nach der hyperlokalen Technik-Gemeinschaften» (ebd., 159) stellt sich heute neu.
Was ist die spezifische Leistung dieser Einführung in die Medienkulturwissenschaft? Es handelt sich um ein nicht zu dickes und damit auch zugängliches Lehrbuch. Es präzisiert die Frage nach der Medienästhetik, indem Medientechnik, Mediengeschichte, Medienhandeln und Medienproduktion theoretisch verortbar gemacht wird. Es ist ein geeignetes Lehrbuch, das mit seinen Hervorhebungen auch Lernziele formuliert. Von Interesse ist die Herausarbeitung der Wechselwirkung von Medien, die in dem Buch gut gelungen ist. Etwas weniger ausgeleuchtet wird die Formung von Lebenswelten durch Medien, will sagen, Medien liegen quer zu allen unseren lebensalltäglichen Handlungen, sie spielen eine herausgehobene Rolle in der Bildung, im Familienalltag, in der Arbeit, in der Wahrnehmung von Nähe und Ferne, mit Medien werden Trennungen etwa von Arbeit und Privatheit aufgelöst, aber auch neue Zuschreibungen wie bspw. Konsumenten als Datenlieferanten in Gang gesetzt. Diese Fehlstelle allerdings schmälert die Nützlichkeit der vorliegenden Einführung nicht. Eine Gesellschaft, wie die Gesellschaft unserer Tage, in der es kaum Handlungen gibt, die nicht in der einen oder anderen Weise medial vermittelt werden, ist der Blick auf die kulturelle Formung von Alltag, von Reflexion, von Information und Wissensvermittlung unabdingbar. So berichtet der Datenreport 2021 (190ff.) davon, dass Telearbeit Multitasking vermehrt, dass Unterbrechungen zunehmen, dass Termin- und Leistungsdruck zunehmen.
Medien produzieren andere Formen von Kultur, insofern ist das vorliegende Lehrbuch eine nützliche Anleitung, um im Studienbetrieb die Rolle von Medien und deren theoretische Verordnung aufzuzeigen. Mediennutzung verändert den Alltag! Selbst das Lehrbuch selbst macht darauf aufmerksam, denn es irritiert ein wenig, dass der Text des Lehrbuches mit der Seite «1» beginnt. Auch das ein Hinweis darauf, dass kulturelle Standards nicht mehr greifen, wenn Bücher heute oft nicht mehr lektoriert, sondern eben nur produziert werden.