1. Einleitung
Die im März 2020 zur Pandemie erklärte Coronavirus-Krankheit – CoViD-19 – löste umfangreiche und tiefgreifende gesellschaftliche Abwehrmechanismen und Bewältigungsstrategien aus, die neben der Wirtschaft insbesondere das Bildungssystem stark beeinflussten. Zum damaligen Zeitpunkt stand kein wirksamer Impfstoff zur Verfügung und Massnahmen beschränkten sich in erster Linie auf die Verhinderung einer weiteren Ausbreitung des Virus sowie auf die Verhinderung von Ansteckung durch Vermeidung von Zusammenkünften in geschlossenen Räumen bzw. durch Kontaktverbote.
Der im März 2020 an Hochschulen gerade gestartete Lehrbetrieb des Sommersemesters musste in der Folge vollständig auf digitale Formate ausweichen. Für die meisten deutschsprachigen Hochschulen wurde eine kurzfristige Verschiebung des Semesterstarts beschlossen. In jedem Fall bestand ein Konsens zu zwei zentralen Aspekten: Die Umstellung wird mit gewaltigen Herausforderungen auf verschiedenen Ebenen verbunden sein; allerdings sind diese – so der zweite Konsens – zu schaffen. Damit rückten E-Learning-Angebote in den Mittelpunkt und befeuerten eine Debatte, deren Anfänge bis in die 1990er-Jahre zurückreichen: Mit den damals gestarteten Programmen wurde begonnen, Lehre durch Medien- bzw. Bildungstechnologien organisatorisch und didaktisch weiterzuentwickeln. Auch wenn sich die Begriffe veränderten (z. B. das heute kaum noch gebräuchliche «Mobile Learning»; vgl. de Witt und Gloerfeld 2018), blieben die Hoffnungen auf qualitative Verbesserungen der Lehre, z. B. höhere Flexibilität, gleich. Demgegenüber steht die nüchterne Erkenntnis zu E-Learning-Anwendungen:
«Ihre Neuartigkeit spiegelt sich allerdings nicht zwingend in neuen Konzepten, re-organisierten Prozessen oder in einer gänzlich veränderten Praxis akademischer Lehre und Forschung wider.» (Bauer et al. 2020, 12)
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass digitale Anwendungen in der Lehre bis zum Ausbruch der Pandemie eine randständige Rolle hatten und sich oftmals auf zeitlich befristete E-Learning-Projekte beschränkten. Die im Frühjahr 2020 gestartete Durchführung der Lehre ausschliesslich im Online-Modus war somit einzigartig und bot vielfältige Anlässe für wissenschaftliche Reflexionen. Das war auch der Ausgangspunkt zur Herausgabe dieses Themenheftes «CoViD-19 und die digitale Hochschulbildung». Die Reaktionen auf den Call bestätigten diese Annahme eindrucksvoll.
2. Beiträge
Von den 24 veröffentlichten Beiträgen ist die deutliche Mehrheit empirisch ausgerichtet und beschäftigt sich mit den unmittelbaren Auswirkungen der Pandemie auf den Lehrbetrieb. Bedingt durch die hohe Dynamik der in Gang gesetzten Massnahmen zur Krisenbewältigung sind die Untersuchungen als Versuch zur Klärung von besonders drängenden Fragen zu lesen. So geht es in mehreren Studien um die Medien- bzw. Techniknutzung von Studierenden als Voraussetzung für die Durchführung von Online-Lehre oder um erste Einblicke in Aspekte wie Zufriedenheit und Belastungserleben (Karapanos, Pelz, Hawlitschek, und Wollersheim 2020; Biehl und Besa 2021; Müller 2021; Preböck und Annen 2021; Schön, Wieser, Dennerlein, und Ebner 2021).
Neben Untersuchungen an Allgemeinstichproben legen einzelne Beiträge auch gezielt den Fokus auf Studierende bestimmter Fächer, insbesondere des Lehramts (Mulders und Krah 2020; Schwabl und Vogelsang 2021; Gabriel und Pecher 2021; Eiben-Zach, Schwabe, Brendel-Kepser, Führer, und Krause-Wolters 2021; Hammerich und Krämer 2021; Liebold, Odrig, Tolle, Dallmann, und Schaarschmidt 2021; Loy 2021; Zellweger und Kocher 2021) sowie auf Studierende mit Behinderungen (Haage, Wilkens, Lüttmann, und Bühler 2021).
Die Gegenperspektive zeichnen Beiträge, die Lehrende (Ehlers und Eigbrecht 2021; Elsholz, Fecher, Deacon, Schäfer, und Laufer 2021; Malewski, Engelmann, und Peppel 2021; Neuber und Göbel 2021) und Hochschulleitungen (Zinger, Bröker, Lehmann, Haberkern, und Lipot 2021) als handelnde Akteure in den Blick nehmen.
Ergänzt werden diese «One-Shot-Studien» durch Befragungen mit mehreren Erhebungszeitpunkten (Bedenlier, Händel, Kammerl, Gläser-Zikuda, Kopp, und Ziegler 2021; Kögler, Ștefănică, Sälzer, Behrendt, Scherfer, und Atlihan 2021) sowie einem Vergleich mit älteren Daten (Brahm und Pumptow 2021). Die methodischen Zugänge beinhalten quantitative, qualitative sowie gemischte Methoden und setzen auf unterschiedlichen Ebenen, vom Mikrokosmos der einzelnen Lehrveranstaltung bis zur Meso-Perspektive der Hochschule.
Im Ergebnis zeichnen sich gemeinsame Muster ab, die sich einreihen mit den Befunden der seit Beginn der Pandemie zahlreich durchgeführten Studien. So scheint es eine überwiegend positive Bilanz zur Bewältigung der enormen Herausforderungen zu geben, wenngleich mehrere Aspekte (insbesondere psychische Faktoren) weiterhin bestehen.
Eingerahmt werden diese Arbeiten durch theoretisch-konzeptionell ausgerichtete Beiträge, die einer grundlegenden Perspektivierung der Corona-Krise nachgehen und so eine wertvolle, ergänzende Folie zur Einordnung der empirischen Artefakte bieten (Mayrberger 2021; Thielsch 2021).
3. Auswahl der Beiträge und Qualitätssicherung
Alle eingereichten Beiträge wurden vom Redaktionsteam (d. h. die oben genannten Herausgeber dieses Themenheftes) initial gesichtet und anschliessend den Gutachtenden entsprechend hinterlegter thematischer Schwerpunkte zugeordnet. Die Gutachtenden waren vornehmlich Autor:innen in diesem Themenheft und begutachteten die Beiträge gegenseitig im Double-blind-Peer-Review-Verfahren. Anhand der eingegangenen Empfehlungen wurde die Entscheidung zur Überarbeitung und anschliessenden Veröffentlichung oder Ablehnung des Beitrags getroffen.